Zwölf-Stunden-Tag: Für Kern nicht notwendig
„Nicht auf Kosten der Arbeitnehmer“
SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern hat sich am Montag gegen Arbeitszeitregelungen „auf Kosten der Arbeitnehmer“ ausgesprochen. Damit reagierte er auf den Vorstoß von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) für eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden täglich in Betrieben mit Gleitzeit.
Kern sagte in der ZIB1 des ORF-Fernsehens, bei Arbeitszeitregelungen gebe es einerseits „Notwendigkeiten“, die aus der Wirtschaft kämen, aber auch „Schutzinteressen von den Arbeitnehmern“. Aufgabe sei es jetzt, der Wirtschaft zu ermöglichen, hier gute Bedingungen zu finden, „und das nicht auf Kosten der Arbeitnehmer“.
Mitterlehner sieht Vorteile für beide Seiten
Mitterlehners Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten bezieht sich laut Ministeriumsaussagen auf die im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehene Lösung. Überstunden würden auch in Zukunft wie bisher gezahlt, wurde am Montagabend seitens des Kabinetts von Mitterlehner klargestellt. Die Ausweitung der maximalen Höchstarbeitszeiten solle nur dann gelten, wenn ohnedies Gleitzeit vereinbart sei. Mitarbeiter würden bei einer Arbeitszeitflexibilisierung durch mehr Jobsicherheit und längere Freizeitblöcke profitieren, weil die Wochenarbeitszeit gleich bliebe.
Bundeskanzler Kern für Umdenken bei Sparkurs
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) setzt wirtschaftspolitisch einen anderen Schwerpunkt als Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Es gebe auch „Schutzinteressen von den Arbeitnehmern“, so Kern.
„Arbeiten, wenn die Arbeit anfällt“
Mitterlehner hatte sich bereits Montagvormittag in einer Pressekonferenz für die gesetzliche Verankerung einer Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden täglich ausgesprochen, sofern es in einem Betrieb eine Gleitzeitvereinbarung gebe.
Das sei weder eine Verpflichtung, dass jeder zwölf Stunden arbeiten müsse, noch ein Anschlag auf die Rechte der Arbeitnehmer, sondern würde nur sicherstellen, „dass wir mit Gleitzeitmodellen dann arbeiten sollen, wenn die Arbeit anfällt, und nicht zu anderen Zeitpunkten“. „Wenn wir dort nicht weiterkommen, dann haben wir für den Standort nicht das Wirkliche erreicht. Ich möchte die Latte gleich jetzt relativ hoch legen“, so der ÖVP-Chef.
Arbeitnehmerschutz soll angepasst werden
Außerdem müsse das 40 Jahre alte Arbeitnehmerschutzrecht an die moderne digitale Zeit angepasst werden. Derzeit habe es 132 Paragrafen und gelte gemeinsam mit 15 Verordnungen, manchmal gebe es Widersprüche zu anderen Gesetzen. Man brauche zwar einen hohen Gesundheitsschutz, aber es dürfe nicht die Bürokratie überwiegen. Das sei mit dem Koalitionspartner zu diskutieren. „Bei dem Thema stehen wir offen gesprochen am Anfang der politischen Verhandlungen“, so Mitterlehner.
Vizekanzler Mitterlehner will Unternehmer entlasten
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentiert seine drei wichtigsten Reformvorschläge. Er will vor allem Unternehmer entlasten. Zu starre Regeln würden die Wirtschaft unnötig behindern.
Drittens müsse es Anreize für private Investitionen geben. Eine Variante sei eine Investitionszuwachsprämie nach dem „Salzburger Modell“, sagte Mitterlehner. Auch gehe es um degressive Abschreibungsmöglichkeiten. Dabei würden zusätzliche Investitionen, die den Durchschnitt der letzten drei Jahre übertreffen, subventioniert. In Salzburg wurde eine solche Förderung 2015 beschlossen.
Arbeitskreise und Verhandlungen
„Es ist angerichtet für Oktober, wir möchten diese Weichenstellungen jetzt haben“, sagte Mitterlehner, aber man dürfe kein System aufbauen, das auf Pump und auf Belastungen aufbaut. Derzeit laufen Verhandlungen der Koalitionspartner über Reformen im Wirtschaftsbereich, Ergebnisse der Arbeitskreise sollen noch in diesem Monat vorliegen. Gegen die Verlängerung der Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden hatte sich die SPÖ bereits ausgesprochen.
Streitpunkt auch bei Herbstlohnrunde
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist auch bei den nun laufenden Lohnverhandlungen der metallverarbeitenden Industrie auf dem Tapet. Die Arbeitgebervertreter drängen darauf, sind aber im Gegenzug zu Zugeständnissen bei der Lohnerhöhung bereit, die Gewerkschaft spricht sich indes wie generell die SPÖ dagegen aus. Eine Arbeitszeiterhöhung über die derzeit erlaubten zehn Stunden pro Tag lehnte Gewerkschafter Rainer Wimmer bei der ersten Verhandlungsrunde Ende September dezidiert ab.
Leitls genaue Vorstellungen
Vonseiten der Wirtschaft sind indes die Vorstellungen bereits sehr genau. Kurz vor dem Start der Herbstlohnrunde erneuerte der Präsident der Wirtschaftskammer (WKÖ), Christoph Leitl, seine Forderung. „Die Zeiten ändern sich, daher müssen sich auch die Arbeitszeiten ändern“, so Leitl. Seine Schlussfolgerung daraus: „Alles, was wir dazu im Kopf haben, können wir vergessen.“
Eine Flexibilisierung - also laut Forderungen der Wirtschaft eine Anhebung der erlaubten täglichen Arbeitszeit von zehn Stunden, eine Reduktion der vorgeschriebenen Pause zwischen zwei Arbeitstagen und die Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume für die Überstundenabgeltung - bedeute für die Arbeitgeber „nicht mehr arbeiten für weniger Geld“, so Leitl.
Vielmehr käme das den Wünschen der Arbeitnehmer nach individuellerer Zeiteinteilung entgegen. So könnten sie zum Beispiel leichter ein langes Wochenende ansparen. Auch ein lebenslanges Zeitkonto in Kombination mit dem Pensionskonto sei vorstellbar. Die Regelung dazu solle auf Betriebsebene getroffen werden. Das wiederum ist für die Gewerkschaften ein rotes Tuch, weil dadurch die Kollektivvereinbarungsgemeinschaft durchbrochen würde.