Wo Van der Bellen Hofer überholte
Keine „Wiederholung“, sondern „Neuwahl“
„Ich werde ein weltoffener, proeuropäischer Bundespräsident der Republik Österreich sein“: Mit diesen Worten wandte sich Alexander Van der Bellen in seiner ersten Rede nach seinem Wahlsieg an die Bevölkerung. Den Wahltag könne man „ohne Übertreibung“ nicht nur als historisch, sondern auch als „rot-weiß-rotes Signal der Hoffnung und der positiven Veränderung“ sehen.
Van der Bellen zeigte sich überzeugt, dass dieses von Wien aus nun durch Europa gehen und in den Hauptstädten der Europäischen Union sehr sorgfältig analysiert werde. Im Vergleich zur Stichwahl am 22. Mai handelte es sich laut Van der Bellen „im wörtlichen Sinn“ auch nicht um eine Wiederholung, sondern um eine Neuwahl.
„Weltoffener Bundespräsident“
Van der Bellen will „ein weltoffener, proeuropäischer Bundespräsident“ sein. Er wolle die Türen für Österreichs Wirtschaft im Ausland offen halten und auch ein überparteilicher Bundespräsident sein.
„Die Welt verändert sich, die Erde dreht sich weiter“, sagte der von den Grünen unterstützte Wahlsieger mit Verweis auf das „Brexit“-Volksbegehren, die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten, Terroranschläge in Europa „und, und, und“.
Geänderte Rahmenbedingungen
Zudem hätten sich die Rahmenbedingungen der Wahl selbst geändert, womit Van der Bellen auf die seit dem 22. Mai verstorbenen und neu in die Wahlregister aufgenommenen Wähler hinwies. Nicht nur die erstmalige Wiederholung einer Hofburg-Stichwahl und der rund zwölf Monate lange Wahlkampf waren laut Van der Bellen historisch, sondern auch die breite Wahlkampagne, der er seinen Sieg zu verdanken habe.
Van der Bellen sprach von einer Wahlbewegung über die Partei- und Altersgrenzen hinweg und hob dabei auch die eigene Initiative seiner Unterstützer hervor. „Natürlich“ dankte er auch allen Wählern und Wählerinnen „für dieses überwältigende Vertrauen, das mein Team und ich heute erfahren durften“.
Van der Bellen erinnerte hier aber auch an seinen knappen Vorsprung von 30.000 Stimmen bei der später annullierten Stichwahl im Mai - nun würden es, „wenn ich die Zahlen richtig mitgelesen habe“, 300.000 sein. Ungeachtet dessen werde er sich als Präsident sehr bemühen, für alle Österreicher und Österreicherinnen da zu sein, „gleichgültig, ob sie mich gewählt haben“.
Deutlicher Vorsprung
Laut dem kurz vor 20.00 veröffentlichten Ergebnis der Urnenwahl lag Van der Bellen mit 51,68 Prozent in Führung, FPÖ-Kandidat Norbert Hofer erreichte 48,32 Prozent. Anders als bei der aufgehobenen Stichwahl im Mai werden diesmal die Briefwähler nicht den Ausschlag geben. Die letzte SORA-Hochrechnung, die Briefwähler bereits berücksichtigt, ergibt 53,3 zu 46,7 Prozent bei einer Schwankungsbreite von nur noch 0,4 Prozent.
SORA/ORF
Lob für Hofers „respektables Ergebnis“
Bis zu seiner für Ende Jänner angesetzten Angelobung gelte es noch einige Fristen abzuwarten. Ausständig ist nicht zuletzt das offizielle Endergebnis, da die Briefwahlstimmen erst am Montag ausgezählt werden. „Theoretisch“ sei Van der Bellen zufolge auch eine weitere Anfechtung möglich - „ich hoffe es nicht“. Auch von anderer Seite, nicht zuletzt von der FPÖ, wurde eine Anfechtung am Sonntag ebenfalls ausgeschlossen. Mit den Worten „wir haben gewonnen“ trat Van der Bellen dann auch vor seine in den Wiener Sofiensälen versammelten Anhänger, die ihn mit stürmischem Applaus begrüßten.
Gleich zu Beginn seiner zuvor in der Hofburg gehaltenen Rede drückte Van der Bellen Hofer seinen Respekt aus und gratulierte zu einem „respektablen Ergebnis“. Man sei immerhin über sieben Monate in direkter Konkurrenz zueinander gestanden, „und ich weiß, was das für einen Einsatz erfordert“.
Hofer nun „Wahlhelfer“ für Strache
„Ich wünsche Van der Bellen für dessen Aufgabe alles Gute. Aber ich sage auch, dass man in mir einen schlafenden Bären geweckt hat“, sagte Hofer in der FPÖ-Wahlkampfzentrale. Als Hintergrund seiner Niederlage nannte er dort erneut die Wahlempfehlung von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner für Van der Bellen, die Hofer als „Selbstmordattentat“ bezeichnete.
Ernüchterung in FPÖ-Wahlzentrale
Im Gegensatz zu den Sofiensälen pägte Ernüchterung die Stimmung in der FPÖ-Parteizentrale. Hofer sagte dort einmal mehr, Mitterlehners Wahlempfehlung sei für den Wahlausgang entscheidend gewesen.
„Ich war heute wirklich sehr, sehr traurig“, sagte Hofer vor etlichen Journalisten und Gesinnungsgenossen, denn: „Ich hätte unglaublich gerne für dieses Land gearbeitet“, etwa das Freihandelsabkommen CETA verhindert und Rechnungshof-Vorschläge umgesetzt. In einer Demokratie sei allerdings jede Entscheidung die richtige, merkte er an.
Differenzen zwischen ihm und Parteichef Heinz-Christian Strache gebe es auch nach dieser Niederlage nicht, so Hofer. Vielmehr habe Strache „einen sehr prominenten Wahlhelfer gewonnen“. Auch aus diesem Grund werde der von der FPÖ eingeschlagene Weg zum Ziel führen.