USA und EU: Große Bedenken bei gemeinsamem Blick auf TTIP
Podiumsdiskussion über transatlantisches Handelsabkommen zeigt viele Probleme und Baustellen
Das transatlantische Handelsabkommen TTIP soll angeblich Handelshemmnisse wie Zölle und Einfuhrkontingente beseitigen. Dass damit auch sogenannte „Nichttarifäre Handelshemmnisse“ wie Qualitätsstandards, ArbeitnehmerInnenrechte oder Umweltschutz gemeint sind, wird gerne unter den Tisch gekehrt. Über den Stand der Verhandlungen und die Risiken der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft diskutierten in der Zentrale des ÖGB im Wiener Catamaran hochkarätige ExpertInnen aus den USA und Europa. Grundtenor des gemeinsamen Blicks auf TTIP: Die bisherigen Zugeständnisse im Verhandlungspoker sind größtenteils Kosmetik, es muss sich noch viel ändern. Und: TTIP-Vorbild NAFTA hat in den USA 700.000 Arbeitsplätze gekostet.
Die Perspektive der Österreichischen Gewerkschaften brachte Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums von younion _ Die Daseinsgewerkschaft, ein: „Trotz einiger Fortschritte im Verhandlungsprozess bleiben unsere Kernforderungen wie der Schutz von ArbeitnehmerInnenrechten, Standards bei Umwelt- und Konsumentenschutz sowie die Sicherung von Leistungen der Daseinsvorsorge weiterhin aufrecht. Erfahrungen haben gezeigt, dass bei Abkommen wie NAFTA und jetzt TTIP genau diese Standards unter großem Druck stehen. Sie werden als Handelshemmnis angesehen und müssen nach der Logik der Industrie weichen. Durch privilegierte Klagerechte für Konzerne wird eine Parallel-Justiz geschaffen, welche privaten Investoren uneingeschränkte Möglichkeiten bieten, Staaten auf Grund von sogenannte „entgangenen Gewinnerwartungen“ zu klagen. Die EU-Kommission hat zwar eine „Reform“ von ISDS hin zu ICS – einem leicht geänderten Verfahren mit demokratischem Anstrich – angekurbelt, diese Änderungen sind jedoch lediglich Kosmetik und keine wahre Verbesserung. Die privilegierten Klagerechte für Investoren bleiben weiterhin erhalten.“
Einen Blick über den Atlantik auf TTIP und seine Auswirkungen aus Sicht des amerikanischen Gewerkschaftsverbands AFL-CIO - er vertritt 12,5 Millionen ArbeitnehmerInnen - bot Celeste Drake, Expertin für Handel und Globalisierung: „Das Abkommen NAFTA hat uns gezeigt, dass die versprochenen Ziele wie Wachstum oder mehr Jobs nicht eingetroffen sind. Alleine in den USA kam es unter NAFTA zu einem Verlust von 700.000 Arbeitsplätzen. Durch Freihandelsabkommen sind keine Arbeitsstandards wie Kollektivverträge oder Versicherung gesichert. Die Gehaltsschere in Mexiko ist aktuell viel größer als vor dem Abkommen. Die US-amerikanischen Verhandler haben massive Einwände gegen den ISDS-Reformvorschlag der EU, da sie ihr alt bewährtes System des Investorenschutzes ungern aufgeben wollen – die USA haben bekanntlich auch kaum einen Fall verloren. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass NAFTA Gewerkschaften in den USA und Kanada unterminiert hat.“
Seit Juli 2015 ist Karoline Graswander-Hainz Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Als Mitglied des Ausschusses für internationalen Handel hat die gebürtige Tirolerin quasi einen Blick aus erster Reihe auf den Verhandlungspoker über das Transatlantische Handelsabkommen, der allerdings größtenteils hinter verschlossenen Türen stattfindet. Sie bekräftigt: "Wesentlich ist ein qualitativ gutes Ergebnis für die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sind private Schiedsgerichte, die Sonderrechte für Konzerne schaffen, vehement abzulehnen. Auch der demokratische Gestaltungsspielraum muss weiterhin den gewählten Regierungen und Institutionen obliegen. Wir werden unsere hohen Qualitätsstandards von Lebensmitteln über öffentliche Dienstleistungen bis zum Datenschutz verteidigen, denn diese dürfen nicht durch weitere Liberalisierungen gefährdet werden."