TTIP-Runde 15 endete Freitag geräuschlos in New York
Die Öffentlichkeitsarbeit wurde in dieser Runde fast auf Null zurückgefahren, um die Verabschiedung des ausverhandelten CETA-Abkommens nicht zu gefährden.
Während sich die öffentliche Diskussion in Europa gerade um das deutlich kleinere CETA-Abkommen mit Kanada dreht, ist die 15. Runde der TTIP-Verhandlungen in New York am Freitag völlig geräuschlos über die Bühne gegangen. Was Runde 15 von den früheren Verhandlungsrunden unterscheidet, ist das Schweigen der TTIP-Befürworter. Seitdem sich Verhandler durch den öffentlichen Druck gezwungen sahen, wenigstens die aktuellen Themen, die gerade verhandelt wurden, bekanntzugeben, gab es noch nie so wenig Informationen zu einer Runde.
Selbst über das "Stakeholder Briefing" zu Runde 15 wurde diesmal nichts verlautbart. Um den öffentlichen Druck zu mindern, waren diese öffentlichen Briefings in den Verhandlungsprozess eingeführt worden, sie waren seitdem jeweils für den dritten Verhandlungstag angesetzt. Angeblich hat auch in Runde 15 ein solches Briefing am Mittwoch stattgefunden, nur gibt es diesmal überhaupt keine Nachrichten darüber.
Denkbar geringer Informationsgehalt
TTIP wurde deshalb aus der Schusslinie genommen, um eine Mehrheit für das ausverhandelte CETA-Abkommen zu sichern. Danach wird man sich bei TTIP auf die CETA-Vereinbarung berufen können, CETA wird so als Trojanisches Pferd für TTIP benutzt.
Auch die bei jeder Verhandlungsrunde üblichen, offiziellen Fotostrecken von den Chefverhandlern Gabriel Garcia Bercero (EU) und Dan Mullaney (USA) waren diesmal auffällig absent. Was die Öffentlichkeitsarbeit angeht, so beschränkte man sich diesmal auf die übliche Abschlusspressekonferenz am Freitag, doch auch da war der Informationsgehalt denkbar gering. Offiziell bekanntgegeben wurde nur, was sich bereits seit mehreren Runden abgezeichnet hatte, nämlich dass die Verhandlungen nicht im Jahr 2016 abgeschlossen werden können.
Man werde sich bei den TTIP-Verhandlungen jedoch von den bevorstehenden Präsidentschaftwahlen in den USA nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern "in der verbleibenden Zeit erreichen", was möglich sei, gab US-Verhandlungsführer Dan Mullaney in der Abschlusspressekonferenz bekannt. Beide Seiten wollten in den "kommenden Monaten noch so viele Fortschritte erzielen wie möglich", sagte Mullaney.
Schon wieder "sehr ermutigende Fortschritte"
Der europäische Chefverhandler Ignacio Garcia Bercero wiederum gab zum Abschluss "sehr ermutigende Fortschritte in einigen der Gebiete, die verhandelt werden", bekannt. So habe man sich im Bereich Pharma auf die wechselseitige Anerkennung von "guten Herstellungsprozessen" einigen können - was immer das auch zu bedeuten hat. Ansonsten hätten sich die Teams um die "Konsolidierung der Texte und die Eliminierung von bis jetzt existierenden Differenzen" bemüht.
Der Brief der beiden Kongressabgeordneten an Noch-Präsident Barrack Obama
So hätten die Verhandler viel Zeit dafür aufgewendet, um über "regulatorische Kohärenz und technische Hürden" in allen neun Bereichen zu diskutieren, die zu Beginn der Verhandlungen identifiziert worden waren: Autos, Pharma, Chemie, Kosmetik, Informationstechnologie, Pestizide, technische Services, medizinische Geräte und Textilien. Gegen den Strich gelesen, haben diese Äußerungen folgenden Informationsgehalt: Nach mehr als drei Jahren TTIP-Verhandlungen und 15 Runden ist kein einziges der 2013 definierten Verhandlungsfelder auch nur annähernd abgeschlossen.
Wie es mit CETA weitergeht
Die CETA-Petition an Christian Kern wird von vier unabhängigen Organisationen aus verschiedenen EU-Staaten getragen.
Was CETA angeht, so ist der österreichische Bundeskanzler Christian Kern durch seine Kritik am Freihandelsabkommen CETA quasi aus dem Nichts zum temporären Hoffnungsträger der Kritiker aufgestiegen. Auf der Website der Bürgerrechtsorganisation Wemove.eu prasselten die Unterschriften zu einer Petition, dіe Kern dazu auffordert, bei CETA nicht nachzugeben, über das Wochenende nur so herein. Das ursprünglich angestrebte Ziel von 200.000 Unterschriften wurde schon bald nach oben auf 500.000 revidiert.
Public Domain - Grafik von Wemove.eu, einer der vier Bürgerrechtsorganisationen
Auch kanadische Organisationen zweifeln an der Rechtsgültigkeit der Zusatzerklärung - die "gemeinsame interpretative Deklaration"
Von den internationalen Beobachtern rechnet allerdings kein einziger damit, dass Kern dieses Freihandelsabkommen im Alleingang zu Fall bringen werde. Der Text der "gemeinsamen interpretativen Deklaration von Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten zur umfassenden Wirtschafts- und Handelsvereinbarung CETA" war am Donnerstag zuerst auf der Website der "Kronen-Zeitung" aufgetaucht. Die Gültigkeit dieser fünfseitigen Erklärung, die erst am Mittwoch verfasst worden war und vor allem ihr Einfluss auf den Vertrag selbst steht allerdings arg in Zweifel.
Die Erklärung von Global 2000
In dieser Deklaration werde nur wiederholt, was ohnehin bereits im Vertrag stehe, hieß es seitens der Umweltschutzorganisation Global 2000. Das Kapitel 21 im CETA-Vertrag zur "Regulatorischen Kooperation" ist unter anderem dasjenige, das sich am stärksten auf Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards auswirken wird. In den Zusatzerklärungen gebe es einen winzigen Absatz dazu, der nur wiederholen würde, was ohnehin schon im Vertrag stehe. Man könne hundertmal betonen, "dass Staaten ihr Recht auf Regulierung nicht verlieren, wenn in den jeweiligen Kapiteln Mechanismen verankert seien, die dieses Recht auf nationale Regulation torpedierten." Global 2000 weiter: "Um wirklich Standards zu wahren und zu verbessern, müsste das gesamte Kapitel der Regulatorischen Kooperation geändert werden". Zudem werde das europäische Vorsorgeprinzip nicht einmal alibihalber erwähnt.
Visegrad-Staaten forden Streichung des Agrarsektors
Zu allem Überfluss haben sich auch die sogenannten Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn zu Wort gemeldet und eine gemeinsame Erklärung zum Schutz ihrer Agrarsektoren verabschiedet. Die Einwände der EU-Kommission gegen das geplante Gesetz zum "Schutz der slowakischen Agrarwirtschaft" werden darin zurückgewiesen. Man könne die Auflage, dass nur Personen, die seit zehn Jahren slowakische Staatsbürger seien, Agrarland erwerben dürften, zwar streichen, aber sonst nichts. Die derzeitige Situation bevorzuge die großen Player, neuere EU-Mitglieder hätten hingegen "signifikante Teile ihrer Nahrungsmittelprodktion bereits verloren".
Wie es mit TTIP im Herbst weitergeht
Die Handelsminister von EU und USA wollen sich nach Aussage von EU-Verhandlungsführer Ignacio Garcia Bercero am 11. November - also drei Tage nach der US-Präsidentschaftswahl - erneut wegen TTIP treffen. Ziel sei es, die Gespräche mit der Nachfolgeregierung in den USA "zu einem geeigneten Zeitpunkt fortzusetzen."