Programm fertig: SPÖ will „neue Antworten“ geben
Keine großen Überraschungen
Die SPÖ hat ihr neues Programm fertig: Es soll ein „Kompass zur politischen Orientierung“ sein, wie dem Entwurf zu entnehmen ist. Inhaltlich bietet das Grundsatzprogramm keine allzu großen Überraschungen: Im Zuge der Digitalisierung wünscht man sich eine Arbeitszeitreduktion, die Bekämpfung des Klimawandels soll oberste Priorität haben, und in Sachen Migration setzt man auf „Integration vor Zuwanderung“.
„Die Welt steht nicht still“ - es brauche „neue Antworten“, heißt es zu Beginn des 65-seitigen Papiers, das am Freitag von Präsidium und Vorstand behandelt wurde. Vision der „sozialen Demokratie“ sei es, die „Klassengegensätze zu überwinden, alle Lebensbereiche mit Demokratie zu durchfluten und den Ertrag der gesellschaftlichen Arbeit gerecht zu verteilen“. Man kämpfe für „volle Gleichberechtigung“ unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter, Behinderung und sexueller Orientierung und für „soziale Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft“.
„Besinnung auf Fundamente“
Man besinne sich auf die politischen Fundamente der SPÖ, meinte Parteichef Christian Kern: „Das Herz der Sozialdemokratie schlägt nicht am Ballhausplatz, sondern an den Ziegelteichen am Wienerberg“, formulierte Kern, der nach der Wahl vom Kanzleramt in die Oppositionsrolle wechseln musste. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität sollen die Grundwerte der Partei bleiben. Auch die Verteidigung der Demokratie und ein Bekenntnis zum Antifaschismus finden sich im Programm.
Gremientagung der SPÖ
Bei der SPÖ tagten am Freitag die Gremien. Das neue Parteiprogramm sieht mehr Demokratie und Mitbestimmung der Mitglieder vor.
Die SPÖ fühlt sich zwar nach wie vor ihrer klassischen Klientel wie Industriearbeitern verpflichtet, will sich aber auch neuen Zielgruppen zuwenden: etwa prekär Beschäftigten, Einpersonenunternehmen, „Crowdworkern“ und Teilzeitbeschäftigten. Breiten Raum nimmt denn auch das Thema Arbeit ein, so soll die Digitalisierung als Chance verstanden werden. Es müsse entsprechende Investitionen in Bildung, Infrastruktur und die Förderung qualifizierter Zuwanderung geben.
Ziel der ganzen Reform müsse jedenfalls eine Repolitisierung sein, sagte Kern. In der Folge solle es gelingen, die Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen und auch wieder in Regierungsverantwortung zu gelangen, meinte der Parteichef.
Maschinen- und Erbschaftssteuer
„Wir begreifen uns als Partei des Fortschritts und der Veränderung - im Dienste der Menschen.“ Die „digitale Rendite“ müsse also fair verteilt werden. So fordert die SPÖ eine deutliche Reduktion der Arbeitszeiten. Ein konkretes Modell soll - wie für andere Bereiche im großteils allgemein gehaltenen Grundsatzprogramm - noch erarbeitet werden. Vorstellbar wäre für die Roten etwa eine Viertagewoche mit einem „Bildungstag“. Ein explizites Bekenntnis gibt es zur Sozialpartnerschaft und Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer.
Unter dem Titel „Wohlfahrtsstaat“ wünschen sich die Sozialdemokraten eine starke Entlastung der Arbeit. Einkünfte aus Finanzvermögen dürften nicht geringer besteuert werden als Arbeitseinkommen. Im Programm stehen auch rote Klassiker wie eine Maschinensteuer („Auch Roboter sollen den Sozialstaat mitfinanzieren“) und eine Erbschaftssteuer. Zudem soll umweltschädliches Verhalten quasi steuerlich bestraft werden.
Rote jetzt grüner
Überhaupt fischen die Roten in grünen Gewässern und verschreiben sich voll und ganz dem Umweltschutz. Österreich solle bis 2040 CO2-frei werden. Das werde erhebliche Investitionen erfordern - „aber im Zweifelsfall zieht die Sozialdemokratie einige Milliarden Euro Schulden durch Investitionen in erneuerbare Energien der Zerstörung unseres Planeten vor“, heißt es in einer Presseunterlage. Ein bisschen Selbstkritik ist im Programm auch zu lesen: Die Sozialdemokratie habe dem Wirtschaftswachstum oft eine „Vorrangstellung“ gegenüber ökologischen Anliegen eingeräumt - dabei müssten Letztere „höchste Priorität“ haben.
„Integration vor Zuzug“
Ein Eiertanz war für die SPÖ stets das Thema Migration. Hier bemüht die Partei nun im Programm das Motto „Integration vor Zuzug“. Einerseits bekennt man sich im Programm „uneingeschränkt“ zur Genfer Flüchtlingskonvention und dem Recht auf Asyl. Man sei aber auch der Meinung, dass Schutzsuchenden am besten in der Nähe ihrer Heimat geholfen werden kann, und will Hilfe an Ort und Stelle forcieren.
Gleichzeitig verwahrt man sich gegen alle Versuche, „Religion für politische Zwecke zu missbrauchen und anderen Werte und Lebensweisen aufzuzwingen“. Damit wollen sich die Sozialdemokraten gegen Parallelgesellschaften, Vereine unter der Aufsicht ausländischer Religionsbehörden und jede Form von Extremismus stellen. Jeder müsse Deutsch lernen und Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit akzeptieren.
Liebeserklärung an Europa
Eine Arbeitsgruppe soll zu diesem Komplex bis zum Parteitag im Herbst Details ausarbeiten. „Wir brauchen eine klare Antwort, sonst wird es als ‚keine Antwort‘ verstanden in der Bevölkerung - das heißt ja nicht, dass man das unanständig machen muss“, sagte Kern.
Unter dem Motto „Für ein Europa zum Verlieben“ soll laut Programmentwurf die EU gestärkt werden, etwa durch eine Aufwertung von EU-Kommission und -Parlament und die Umwandlung des Rates in eine Länderkammer. Notwendig seien etwa eine gemeinsame Steuerpolitik sowie „fairer Welthandel“ statt Freihandel.
Weiter für gemeinsame Ganztagsschule
In Sachen Gleichberechtigung finden sich im Papier altbekannte SPÖ-Forderungen wie Frauenquoten, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und der Rechtsanspruch auf Gratiskinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Im Bildungsbereich tritt man nach wie vor für eine gemeinsame Ganztagsschule der Sechs- bis 14-Jährigen ein, beim derzeit heißen Thema Sozialversicherungen für eine Vereinheitlichung der Bedingungen für die Versicherten.
Zu guter Letzt will die SPÖ gemäß dem landläufigen Trend einen Beitrag dazu leisten, „die Debattenkultur“ zu erneuern - dazu gehörten „ein grundlegend positiver Stil“, eine klare und einfach verständliche Sprache und eine „wertschätzende Grundhaltung“.
Befragung im Juni, Abstimmung im Oktober
Über 16.000 Personen haben laut Partei in verschiedener Form an der Entwicklung des Programms, das auf 20 Jahre angelegt sei, teilgenommen. Ebenso wie die Statutenreform wird das neue Grundsatzprogramm mittels Mitgliederbefragung in der zweiten Juni-Hälfte und an einem Parteitag im Oktober abgesegnet. Der von Kern letztes Jahr vorgestellte „Plan A“ sei weiterhin gültig. Angesichts der breiten Einbindung der Mitglieder im Vorfeld würde Kern eine Ablehnung überraschen, sei das Papier doch quasi das Ergebnis der „Schwarm-Intelligenz der Sozialdemokratie“.
Jugendorganisationen mit Bedenken
Beim Votum im Vorstand gab es am Freitag Ablehnung durch die Jugendorganisationen. Kern bewertete das sarkastisch. Man habe sich eben dazu entschlossen, die Abschaffung des Kapitalismus nicht ins Parteiprogramm zu schreiben, weil das in den kommenden Perioden doch eher unrealistisch sei.
Dass das Verhältnis zur FPÖ im Grundsatzprogramm nicht vorkommt, erklärte der Parteichef mit dem ohnehin vorhandenen Kriterienkatalog für Koalitionspartner. Nach zwischenzeitlicher Annäherung gibt sich Kern nun für die Bundespartei gegenüber der FPÖ wieder äußerst distanziert: „Mir geht diese Skrupellosigkeit zu weit.“