Pflegeregress: Länder pochen auf vollen Kostenersatz

„Kein freundlicher Akt“

Mit den Stimmen aller Fraktionen außer NEOS hat die Regierung am Donnerstag die Abschaffung des Pflegeregresses durch den Nationalrat gebracht. Mit 1. Jänner 2018 können die Bundesländer künftig nicht mehr auf das Vermögen von Pflegeheimbewohnern zugreifen. Bereits am Tag der Abstimmung wurden in den Ländern Forderungen laut, der Bund solle die wegfallenden Einnahmen „voll ersetzen“.

„Die Länder müssen und werden darauf drängen, dass sämtliche Ausfälle ersetzt werden“, sagte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), der ab Freitag den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz übernimmt. Wer anschaffe, der müsse auch zahlen, richtete Wallner seinen Appell an den Bund. Die bundesweiten Gesamtkosten schätzte Wallner weit höher als die im Nationalrat kolportierte Summe von 100 Millionen Euro. Er geht eher vom doppelten Betrag aus, wobei darin die Folgekosten noch gar nicht eingerechnet seien.

Per Verfassungsgesetz direkt in die Kompetenzen der Länder einzugreifen ist laut Wallner ein „etwas seltsamer Vorgang“ und „kein freundlicher Akt“ mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Kritische Stimmen kamen auch aus Salzburg, für das Land ist die vom Bund angebotene Ersatzfinanzierung nicht ausreichend - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Maßnahmen gegen E-Card-Missbrauch

Die Ausfälle will der Bund durch zwei konkrete Maßnahmen kompensieren. Am Donnerstag wurde die Einführung eines Fotos auf der E-Card beschlossen, um Missbrauch zu unterbinden. Zudem erhofft man sich Eisnparungen dadurch, dass Pflegeheime künftig Arzneimittel direkt einkaufen können. Was den Medikamentenkauf angeht, ist aber noch kein Beschluss erfolgt. Hier sollen bis Jahresende entsprechende Regeln ausgearbeitet werden.

Ob das Unterbinden des E-Card-Missbrauchs tatsächlich Einsparungen bringt, ist unter Experten umstritten. Ab 2019 werden jedenfalls nur noch E-Cards mit Foto neu ausgegeben. Bis 2023 hat dann der Austausch abgeschlossen zu sein. In den Erläuterungen zum Gesetz wird dazu klargestellt, dass die Fotos unter Wahrung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte aus behördlichen Beständen übernommen werden sollen, soweit das automationsunterstützt und damit mit geringem Verwaltungsaufwand möglich ist. Andernfalls ist das Foto vom Karteninhaber beizubringen.

Hauptverbandschef Alexander Biach ist mit der vereinbarten Regelung für ein verpflichtendes Foto auf der E-Card im Gegenzug zur Abschaffung des Pflegeregresses zufrieden. Er finde sich in dem Vorschlag der Regierungsparteien wieder, sagte Biach im Gespräch mit der APA. Wichtig sei ihm, dass es für Versicherte und Sozialversicherung kostengünstig und technisch leicht realisierbar sei.

Lob und Kritik

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) verwies darauf, dass die Abschaffung auf den „Plan A“ von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zurückgehe. Damit werde die 100-prozentige Erbschaftssteuer in diesem Bereich der Vergangenheit angehören. ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger hatte sich bereits vor der Abstimmung darüber angetan gezeigt, dass eine schnelle und unbürokratische Regelung zur Abschaffung des Pflegeregresses gefunden worden sei.

Freude über die Abschaffung herrschte bei der FPÖ. Ihre Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein erinnerte daran, dass die Freiheitlichen seit über zehn Jahren ein Foto auf der E-Card forderten. Auch beim Pflegeregress sei man jahrelang bei der Abschaffung drangeblieben. Ebenso erfreut über den Fall des Regresses zeigten sich Grüne und Team Stronach.

Kritik kam von NEOS. Es bezweifelt, dass die vereinbarten Maßnahmen die Kosten kompensieren können, verlangt (ebenso wie die Grünen) eine generelle Pflegereform und verweigerte der Vorlage die Zustimmung, auch wenn es den Regress in der gegenwärtigen Form ablehnt. Euphorisch reagierten die Seniorenorganisationen auf die Abschaffung des Pflegeregresses. „Österreich ist pflegeregressfrei“, sagte der Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands, Karl Blecha. „Höchst erfreut“ zeigte sich die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec.

Verbesserung bei Kindern mit Behinderung

Von der Koalition umgesetzt wurde auch ein langjähriges Anliegen der Feuerwehren. Mitarbeitern der Freiwilligen Feuerwehren wird wegen ihrer besonderen Gefährdung eine Gratisimpfung für Hepatitis A und Hepatitis B zugestanden. Schließlich gibt es noch Verbesserungen für Angehörige, die Kinder mit Behinderungen pflegen. Die Möglichkeit, sich nachträglich beitragsfrei selbst versichern zu lassen, wird ausgeweitet.

Schließlich wurde auch noch klargestellt, dass bei neuen Selbstständigen, bestimmten Betreibern freier Gewerbe und Ausübenden bäuerlicher Nebentätigkeiten bereits bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geprüft werden soll, ob eine Pflichtversicherung nach dem ASVG oder nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz bzw. dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz vorliegt. Bereits Erwerbstätige können ihre Versicherungszuordnung überprüfen lassen. An das Ergebnis sind sowohl der Versicherungsträger als auch das Finanzamt gebunden.

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