Koalition streitet weiter über Asylpolitik
„Haben uns nicht auf Obergrenze geeinigt“
Regierung und Landeshauptleute haben sich auf dem Asylgipfel am Mittwoch darauf geeinigt, heuer nur noch 37.500 Asylwerber aufzunehmen. Was dieser Beschluss aber konkret bedeutet, darüber herrscht alles andere als Einigkeit. Das zeigt sich angesichts der schärfer werdenden Wortmeldungen Tage nach dem Gipfel immer deutlicher.
Bundeskanzler Werner Faymann und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (beide SPÖ) lehnten den Begriff „Obergrenze“ neuerlich ab und beharrten auf einem „Richtwert“. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) pochte hingegen auf der Einhaltung der Zahl.
Häupl: „Reine ÖVP-Propaganda“
In der „Kronen Zeitung“ und in „Österreich“ betonte Häupl, dass in dem vereinbarten Papier nirgendwo der Begriff „Obergrenze“ stehe. „Das ist reine ÖVP-Propaganda. Wir haben uns nicht auf eine Obergrenze geeinigt“, sagte der Bürgermeister gegenüber „Österreich.“ Und in der „Krone“ ergänzte er: „Das ist unser Richtwert. Obergrenzen halte ich für inhuman und verfassungswidrig.“
So sieht das auch Faymann: „Da steht Richtwert“, unterstrich er in der „Krone“. Gleichzeitig verwies der Bundeskanzler aber auch darauf, dass Österreich nicht mehr Flüchtlinge als diese vereinbarte Zahl aufnehmen werde. Der 37.501. Flüchtling „könnte zum Beispiel in ein Aufnahmezentrum an der EU-Außengrenze gebracht und von dort in ein anderes EU-Land verteilt werden. Das heißt dann: Auch der 37.501 Mensch kann Asyl beantragen, aber nicht mehr bei uns.“
Mikl-Leitner: Anträge „auf Jahre“ nicht bearbeiten
Für Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist die Höchstzahl eindeutig eine starre „Obergrenze“, wie sie in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ klarmachte: „Bei 37.500 Anträgen wird in diesem Jahr gestoppt.“ Sie erwartet, dass das noch vor dem Sommer der Fall sein werde. Die Ministerin könne sich vorstellen, Asylanträge ab diesem Zeitpunkt dann zwar noch anzunehmen, sie jedoch „auf Jahre nicht mehr“ zu bearbeiten. Die ÖVP-Politikerin verwies hier auf Schweden, das eine ähnliche Handhabe hat. Als zweite Möglichkeit werde geprüft, ob das Land über einer Obergrenze überhaupt noch Anträge annehmen müsse „oder direkt an der Grenze in die sicheren Nachbarstaaten zurückweisen“ könne.
Kurz: „Selbstverständlich“ Zurückweisungen
Außenminister Kurz bekräftigte in „Österreich“, dass Österreich auch bei Kriegsflüchtlingen Grenzen setzen müsse. Auch diese würden durch zahlreiche sichere Länder durchziehen und „am Ende des Tages aus ökonomischen Gründen ihren Asylantrag in Österreich, Deutschland oder Schweden stellen“. Wenn der Höchstwert erreicht sei, könne Österreich „selbstverständlich den Flüchtling an der Grenze zurückweisen“, weil er ja etwa in Slowenien in einem sicheren Land gewesen sei. Dass solche Zurückweisungen dann im großen Stil passieren, „kann leicht sein“. Kurz meinte auch, dass es dann „zu unschönen Szenen“ kommen könnte, wenn Einzelne versuchten, gewaltsam gegen Polizei und Bundesheer vorzugehen.
Der steirische Vizepolizeichef Manfred Komericky sagte dazu im „Kurier“, dass die Polizei sich bei der Wahl der eingesetzten Mittel nach der Verhältnismäßigkeit richten müsse. Aus seiner Sicht „wäre der Einsatz von Wasserwerfern bei der derzeitigen Rechtslage ein eher starkes Signal und nahezu Ultima Ratio“.
Schelling verweist auf Finanzierung
Finanzminister Hans Jörg Schelling bekräftigte in der „Tiroler Tageszeitung“ („TT“), dass eine Höchstzahl auch aus finanziellen Gründen nötig sei. Jeder Flüchtling koste die öffentliche Hand im Jahr etwa 11.000 Euro, das habe im Vorjahr bei über 90.000 Flüchtlingen gut eine Milliarde Euro ausgemacht. Wenn sich EU-Länder als Beihilfenempfänger weiter gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehrten, müssten die Kosten über die EU-Töpfe abgewickelt werden. Und dann bliebe eben entsprechend weniger an Förderung für die betreffenden Länder.
Kurz unterstützte in dem „Österreich“-Interview auch die Linie von Mikl-Leitner, die Griechenland mit einem Ausschluss aus dem Schengen-Raum gedroht hat. „Ja, es gibt Diskussionen darüber, wie mit Griechenland weiter zu verfahren ist, wenn es die EU-Hilfe zum Schutz seiner Außengrenze weiter nicht annimmt“, sagte der Außenminister.
FPÖ will Verschärfungen bei Straftätern
Die FPÖ verlangt unterdessen eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen für straffällig gewordene Asylwerber. In der „Krone“ legte Vizeparteichef Johann Gudenus dazu einen Sechspunkteplan vor: Dieser sieht eine sofortige Verhaftung von tatverdächtigen Asylwerbern vor, einen Stopp der Auszahlung der Mindestsicherung, eine Verhängung eines Aufenthaltsverbots, die unverzügliche Abschiebung nach Verbüßung einer Haftstrafe sowie die Aberkennung des internationalen Schutzes, und eine Straftat als Asylwerber soll als Erschwernisgrund im Strafrecht aufgenommen werden.