Kern will 200.000 neue Jobs schaffen
„Ziel ist Vollbeschäftigung“
Als Gast beim letzten ORF-„Sommergespräch“ hat SPÖ-Chef Christian Kern am Montagabend Bilanz über seine 111 ersten, „intensiven“ Tage als Bundeskanzler gezogen und dabei den „New Deal“-Kurs für den Herbst festgesteckt. Zentraler Inhalt: die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Schaffung von 200.000 Arbeitsplätzen in den nächsten vier Jahren.
Funktionieren soll das über eine Stärkung der Konjunktur auf der einen und eine Bekämpfung der strukturellen Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Kern kündigte in diesem Zusammenhang ein Ausbildungs- und Qualifizierungspaket an, um etwa die Langzeitarbeitslosigkeit zu minimieren.
Ausbildungspflicht bis 25
Die Ausbildungspflicht soll in Zukunft auf bis zu 25-Jährige ausgedehnt werden, und auch im Bereich der Erwachsenenbildung soll es mehr Initiativen geben. Erst im Juli war vom Nationalrat eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr beschlossen worden.
„Das Ziel ist, Vollbeschäftigung bis 2020 herzustellen“, so Kern, der eingestand, dass das durchaus ambitioniert ist. Er sprach sich dagegen aus, „klein-klein“ zu denken, angesichts der aktuell „großen gesellschaftlichen Veränderungen“. Teil des Wirtschaftspakets soll es auch sein, Investitionsanreize für Firmen zu schaffen und die Kaufkraft zu stärken, indem etwa die kalte Progression bekämpft wird. Unter anderem sicherte er zu, dass es zu „regelmäßigen kleinen Steuersenkungen“ kommen werde, wenn die Inflation einen gewissen Satz erreicht habe.
ORF Kern will nicht „klein denken“
Zuwanderung in „geordnete Bahnen“ bringen
Neben diesem „Wirtschaftsblock“ ist das Thema Migration eine der großen Herausforderungen für Kern, der als Kanzler den Abschluss in der Reihe der „Sommergespräche“ bildete. Im Mittelpunkt steht für ihn die Frage, wie die Zuwanderung in „geordnete Bahnen“ zu bringen und zu reduzieren sei. Kern sieht hier bereits deutliche Fortschritte. Die Zahl der ankommenden Menschen müsse auf ein Maß begrenzt werden, das eine gute Integration erlaube. Die „Notverordnung“ sieht er als nötiges Instrument der Vorbereitung auf sich möglicherweise ändernde Maßnahmen.
Grenzeinsatz auf ungarischem Boden?
Details zur „Notverordnung“ ließ Kern vermissen. Diese soll, wie am Montag bekanntwurde, ja erst am Dienstag nach dem Ministerrat fertig werden. „Da ist noch viel zu tun“, so der Kanzler. Angesprochen auf die ausstehende Zustimmung Ungarns, nannte Kern als eine mögliche Variante Grenzpatrouillen auf ungarischer Seite gemeinsam mit heimischen Polizisten und Bundesheersoldaten. Diese sollten Asylsuchende noch auf ungarischem Boden aufgreifen. Kern betonte die Verantwortung, vor der sich Österreich in der Asylfrage nicht stehlen könne, und räumte gleichzeitig ein: „Bei dem Thema ist es tatsächlich so, dass der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf dem Spiel steht.“
Nach 2018 „neue Regierungsmodelle“ gesucht
Sich selbst sieht Kern jedenfalls für die nächsten zwei Regierungsperioden fest im Sattel: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich die nächsten zehn Jahre als Bundeskanzler erleben werde.“ Mehr solle es aber auch wieder nicht sein. Mehr als zwei Perioden sollte man keine Regierung führen, findet der SPÖ-Vorsitzende. Er wäre sich auch für die Rolle des Oppositionsführers nicht zu schade, versicherte Kern.
APA/Georg Hochmuth
Die Koalition mit der ÖVP soll bis 2018 halten
Eine „gute“ Zusammenarbeit erwartet sich Kern mit dem neuen ÖVP-Generalsekretär Werner Amon. Zu den Spekulationen über vorgezogene Neuwahlen sagte Kern, dass die Zusammenarbeit mit der ÖVP gut funktioniere und die gemeinsame „Schnittmenge“ bis 2018 reiche. „Aber danach ist das für mich ein offenes Spielfeld“, so Kern. Er sei überzeugt davon, dass es über kurz oder lang „neue Regierungsmodelle“ brauche. Wie diese aussehen könnten, ließ er offen. Die FPÖ halte er nicht für einen geeigneten Bündnispartner für die Sozialdemokraten.
Kern kündigte an, im Herbst einen Kriterienkatalog zu erstellen, der die Anforderungen für mögliche Koalitionspartner enthalten soll. Dieser solle in der Partei breit diskutiert werden. Möglicherweise auch mit einer Mitgliederabstimmung.
CETA: Kern betont nationale Rolle
Bereits angekündigt hatte Kern auch eine Mitgliederbefragung über das Freihandelsabkommen CETA. Kern betonte abermals seine Kritik an dem Abkommen, das aus seiner Sicht die politischen Entscheidungsspielräume „auch zukünftiger Generationen“ massiv einschränke. Es gehe hier auch darum, wie man seine eigene Rolle in der EU sieht, und diese gestalten wolle. „Aus unserer Sicht ist CETA aus heutiger Sicht nicht umsetzungsreif“, so Kern.
Verteidigt hat Kern auch seine Position gegenüber der Türkei. Die Regierungsspitze tritt für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen ein. „Das ist meine Meinung, und die werde ich auch nicht ändern“, so Kern. Man müsse der Türkei gegenüber ehrlich sein, und das auch offen aussprechen, kritisierte er indirekt die Haltung anderer EU-Staaten. Dass aufgrund der diplomatischen Verstimmungen österreichische Grabungsarbeiten in Ephesos beendet werden mussten, findet Kern „bedauerlich“ - „aber das war ein Beitrag Österreichs zur Entwicklung der Türkei“.
Positiv äußerte sich Kern zu der Entwicklung im Pensionsbereich. Die bisherigen Maßnahmen hätten begonnen zu greifen, und durch eine steigende Beschäftigung entwickle sich auch die Beitragsgrundlage gut. Das heiße nicht, dass man nichts tun müsse, aber es gebe aktuell eine „stabile Lage“.
Filzmaier: Partnersuche als Dilemma
Politologe Peter Filzmaier ortete in den Aussagen Kerns ein breites politisches Spektrum. „Ziemlich viel links, aber auch rechts“ seien seine Vorschläge gewesen. „Rechts“ etwa, indem Kern die nationalstaatlichen Interessen in der EU sehr stark betonte. Für Filzmaier ein Angebot an jene Wähler, die zwar keinen Austritt aus der Union befürworteten, aber dieser doch in vielen Punkten skeptisch gegenüber stünden. Diese wolle Kern nicht der FPÖ überlassen.
Dass Kern 200.000 neue Jobs schaffen will, bewertete Filzmaier als populistische Ansage. 2020 sei „so oder so die nächste Wahl schon geschlagen“, und egal, ob die SPÖ diese gewonnen habe oder nicht, „kann es ihm egal sein“.
Die nächste Wahl sei aber gar nicht so sehr Kerns Problem, so der Politologe. Er habe noch immer den Bonus, neu und vor allem nicht Werner Faymann zu sein. Schwieriger sei es, einen geeigneten Koalitionspartner zu finden. Denn ein Bündnis mit der FPÖ würde die Sozialdemokraten „vor eine Zerreißprobe stellen“, ist der Experte überzeugt. Eine Neuauflage der Großen Koalition sei wenig vielversprechend – und für Dreierbündnisse würde man realistisch betrachtet an die Grenzen der Mathematik stoßen.