Hofburg-Wahl wird verschoben
Die Bundespräsidentschaftswahl wird verschoben. Diese Entscheidung gab Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Montagvormittag bei einer Pressekonferenz bekannt. Eine „einwandfreie und rechtskonforme Wahl“ sei aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Briefwahlkuverts nicht mehr möglich gewesen. Als mögliche Wahltermine nannte Sobotka den 27. November und den 4. Dezember.
Zu Beginn der Pressekonferenz entschuldigte sich Sobotka bei der Bevölkerung, insbesondere jenen, die schon ihre Stimme abgegeben haben, sowie bei den Kandidaten Norbert Hofer (FPÖ) und dem von den Grünen unterstützten Alexander Van der Bellen. Er habe als Leiter der Wahlkommission keine andere Wahl, als das Parlament um ein neues Gesetz zu bitten - nach geltenden Gesetzen sei die Verschiebung einer Wahl nur beim Tod einer Kandidatin oder eines Kandidaten möglich.
Aus für Wahlkuverts in bisheriger Form
Bei der Wiederholung würden die Briefwahlkuverts eine andere Form haben, so Sobotka, vermutlich ein konventionelles Kuvert, in das der Stimmzettel gesteckt wird. Auch habe er vor, die Staatsdruckerei damit zu beauftragen. Zugleich rechtfertigte er die Beauftragung der Druckerei, bei der es nun zu Problemen gekommen war: Diese habe eine Ausschreibung gewonnen und die Drucksorten für sieben Bundeswahlen hergestellt, ohne dass es zu - bekannten - Problemen gekommen wäre.
Man nehme „den Weg sehr ernst, den uns der Verfassungsgerichtshof auferlegt hat“, so Sobotka. Auch deshalb brauche es eine neue solide gesetzliche Basis. Zugleich verwies er darauf, dass ein neues Wahlgesetz die Möglichkeit biete, dass offene Fragen nicht im rechtlichen Graubereich gelöst werden müssen. „Gut und einfach und verständlich bis hinaus in die Sprengelebene“ solle das neue Wahlrecht sein. Zu Fragen der Verantwortung und des Schadenersatzes für den Ausfall der Wahl wollte Sobotka nichts sagen: Ermittlungen seien am Laufen.
Sobotka will nur „Präferenzen“ äußern
Detailfragen zum kommenden Wahlrecht könne er nicht beantworten, sagte Sobotka unter Verweis auf die Zuständigkeit des Parlaments. Seine „Präferenz“ sei aber die Setzung eines neuen Stichtages, damit auch die inzwischen 16 Jahre alt gewordenen Bürgerinnen und Bürger wählen könnten. Außerdem wäre es für Sobotka wünschenswert, dass die Wahlkartenstimmen künftig schon am Sonntagabend ausgezählt werden. Auch sei für ihn der 27. November der „wesentlich bessere Termin“, so Sobotka unter Verweis auf die dann beginnende Adventzeit.
Verweis auf Parlament
Sobotka will dem Parlament „die Möglichkeit geben, diesen Wahltermin noch einmal zu verschieben“. Dass sich die Angelobung des neuen Bundespräsidenten noch 2016 ausgeht, glaubt er nicht.
Sobotka verwies jedoch auch wegen des möglichen Wahltermins auf den Nationalrat: Der Termin für die Wahlwiederholung hänge vor allem davon ab, wie schnell sich der Nationalrat einige. Zudem müsse dem Gesetzgeber die nötige Zeit gegeben werden, um ein hieb- und stichfestes Gesetz zu erlassen. Die schon abgegebenen Stimmen für den Wahltermin im Oktober würden im Fall eines neuen Wahlgesetzes für „null und nichtig erklärt“, so Sobotka. Die Kosten der Wahlwiederholung bezifferte Sobotka auf unverbindlich geschätzte zwei Millionen Euro.
„Belastung“ für Bevölkerung eingeräumt
Er wisse, dass die Wahlwiederholung eine „Belastung“ für das Wahlvolk darstelle, so Sobotka. Er hoffe aber auf die „demokratische Reife“ der Bevölkerung, die auch im dann dritten bzw. vierten Anlauf an der Wahl teilnehmen werde. Im Fall eines neuen Wahlgesetzes sei eine Kampagne über ein allfälliges neues Prozedere jedenfalls beschlossene Sache. Im Zuge dieser Kampagne werde man auch zur Wahl aufrufen.
Die Verschiebung der Wiederholung der Stichwahl wegen fehlerhafter und damit ungültiger Wahlkarten hatte sich schon am Wochenende abgezeichnet. Der legistische Ausnahmefall - eine Wahlverschiebung ist nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich - hatte noch bis Montagfrüh zu vertraulichen Gesprächen und Krisensitzungen zwischen parlamentarischer und Regierungsseite sowie innerhalb der Verwaltung geführt. Auch sind noch weitere Beratungen nötig: Gleich im Anschluss an seine Pressekonferenz traf Sobotka die Klubobleute der Parlamentsfraktionen.
Gesetz statt Verordnung
Die Regierung hatte laut Angaben von SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda bereits festgelegt, dass eine eventuelle Verschiebung nicht im Wege einer Verordnung, sondern per Gesetz beschlossen werden soll. Die Verschiebung per Verordnung stünde verfassungsrechtlich abermals auf wackeligen Beinen - was den Grund für eine weitere Wiederholung nach einer entsprechenden Anfechtung bilden könnte.
Der Beschluss eines entsprechenden Gesetzes ist am Dienstag möglich. Die FPÖ hatte für diesen Tag aus einem anderen Grund schon zuvor eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen. Wegen der nötigen Fristenläufe drängte die Zeit. Auch so ist die beispiellose Wiederholungsverschiebung aber ein juristischer Ritt über den Bodensee. In vielerlei Hinsicht muss dabei gezwungenermaßen verfassungsrechtliches Neuland betreten werden.
Auf jeden Fall eine juristische Anomalie
Eine der vielen heiklen Fragen betrifft die Wählerregister, für die noch der Stichtag des ersten Wahlgangs gilt. Die weitere Verzögerung - mit inzwischen Zehntausenden Sterbefällen und umgekehrt vom Wahlrecht ausgeschlossenen Jungwählern - führt mit jeder Woche zu mehr Verfälschung des Wählerwillens. Ein Neuaufsetzen des Wählerregisters wäre indes ebenso eine juristische Anomalie wie die Beibehaltung des veralteten.
Von offizieller Seite drang auch nach einer Krisensitzung mit den Klubdirektoren der sechs Parlamentsparteien im Innenministerium am Wochenende nichts nach außen. Dem Vernehmen nach waren nach dem kurzfristig einberufenen Treffen, an dem am Sonntagabend auch Juristen und Experten des Innenministeriums und Kanzleramtes teilgenommen haben sollen, weiterhin nicht alle Punkte restlos geklärt.
Wahl im Oktober „nicht zusammenzubringen“
Sobotka hatte bereits eine mögliche Verschiebung angedeutet: Er fürchte, dass es bei einer Durchführung am 2. Oktober aufgrund der Probleme bei der Briefwahl zu einer Anfechtung kommen könnte. „Wir überlegen in der Situation: Können wir sie so durchführen, dass sie nicht angefochten wird? Schaut nicht aus, dass wir das zusammenbringen“, so Sobotka. Im Ministerium wurde zudem das ganze Wochenende an der Prüfung der Briefwahlkarten-Causa gearbeitet.
Auch die Präsidiale des Nationalrats hatte sich bereits auf eine mögliche Verschiebung vorbereitet. Sollten dahingehende gesetzliche Grundlagen nötig sein, werde man diese bei der Sondersitzung am Dienstag einleiten, hieß es aus dem Büro von Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Auch mehrere Experten hatten sich für die Verschiebung der Wahl ausgesprochen. Hofer und Van der Bellen hatten sich damit ebenfalls schon am Wochenende abgefunden.