Gegen CETA und TTIP: Opposition will Taten sehen
Keine Freude mit TTIP
Die Opposition kann der Regierung ob der Kritik von Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) an dem in Verhandlung befindlichen US-EU-Freihandelsabkommen TTIP fast nur Gutes abgewinnen. Auch bei dem bereits ausgehandelten EU-Abkommen mit Kanada - CETA - befinden sich FPÖ und Grüne mit Kern fast auf Linie.
Die FPÖ forderte jetzt Taten. CETA sei TTIP in Kleinformat und in dieser Form abzulehnen, so FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakovitsch-Jenewein. Die Kanzlerkritik an CETA ist für sie nur ein Strohfeuer, wie sie am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal sagte. Es könne nicht sein, dass multinationale Konzeren künftig das Sagen haben, so Belakovitsch-Jenewein, die damit allerdings in dieselbe Kerbe wie Kern schlägt.
Glawischnig fordert klare Position
Für die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig gehört CETA in dieselbe Kategorie wie das derzeit in Verhandlung befindliche Abkommen mit den USA. Dass sich nun auch Kern kritisch zu dem Abkommen mit Kanada geäußert hat und Verbesserungen fordert, sei gut, so Glawischnig ebenfalls im Ö1-Mittagsjournal. Doch jetzt müssten Taten folgen, so auch Glawischnig. Zudem sei es wichtig, dass Österreich zu einer klaren Position finde, denn die gebe es derzeit nicht.
NEOS macht sich für CETA stark
Das Team Stronach (TS) kritisierte die beiden Freihandelsabkommen indes mit einem anderen Blickwinkel. CETA und TTIP seien gefährlich vor allem für Konsumenten, so TS-Klubobmann Robert Lugar. In Kanada gebe es anderes als in der EU kein Vorsorgeprinzip. Dass sich Bundeskanzler Kern jetzt kritisch zu CETA äußert, findet die Zustimmung Lugars. Doch habe CETA auch gute Seiten, räumte Lugar ein.
Für CETA tritt indes NEOS ein. Dem Bundeskanzler gehe es wohl mehr um die schnelle Schlagzeile als um die Sache, so NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn. CETA sollte unterzeichnet werden, so Schellhorn. Er befindet sich damit auf einer Linie mit Mitterlehner.
Kern: Der nächste Konflikt in der EU
Kern hatte sich am Mittwochabend skeptisch zu CETA geäußert und Verbesserungen gefordert. Es gebe hier viele ähnliche Schwachpunkte wie bei TTIP mit den USA, sagte Kern Mittwochabend im ORF. „Das wird der nächste Konflikt innerhalb der EU sein, den Österreich auslöst“, sagte Kern.
„Diese Freihandelsabkommen bringen unter dem Deckmantel des Freihandels in Wahrheit eine massive Machtverschiebung zugunsten global agierender Konzerne und zulasten der demokratischen Mitbestimmung, der demokratischen Politik, das ist ein grundsätzlicher Webfehler“, kritisierte der Bundeskanzler beide Abkommen, das unterschriftsreife CETA und TTIP, wo derzeit noch verhandelt wird. Am Ende müsse man sich darauf konzentrieren, „dass demokratische Mitbestimmung bei der Gestaltung unserer Wirtschaft möglich bleibt und dass wir nicht die Machtverhältnisse zugunsten globaler Konzerne verschieben“.
EU-Kommission: Sache zu wichtig
Die EU-Kommission verteidigte am Donnerstag CETA. Auf die Frage, ob das bereits ausgehandelte Abkommen wieder aufgeschnürt und nachgebessert werden könnte, wollte sich ein Sprecher nicht einlassen. Er betonte lediglich, dass die Kommission das CETA-Abkommen als „gute Vereinbarung“ betrachte. Alles andere wäre „hypothetisch“. Die jüngsten kritischen Anmerkungen von Kern habe die Brüsseler Behörde zur Kenntnis genommen. Aber „die Sache ist zu wichtig, um sie über die Medien zu diskutieren“. Deshalb halte sich die Kommission mit Kommentaren zurück.
Mitterlehner für TTIP-Verhandlungsstopp
Zuvor hatte sich am Mittwoch allerdings bereits Mitterlehner für einen Verhandlungsstopp bei TTIP und einen Neubeginn nach der US-Wahl ausgesprochen. Mitterlehner stimmte der Aussage des deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) zu, wonach das transatlantische Freihandelabkommen de facto gescheitert sei. Das Thema sei angesichts des Verhandlungsprozesses „so belastet, dass unter den derzeit gegebenen Voraussetzungen eine positive Umsetzung de facto ausgeschlossen ist“. Eine sachliche Auseinandersetzung sei aufgrund der Emotionalisierung nicht mehr möglich, so Mitterlehner.
CETA „an sich gut“
Für ein exportorientiertes Land wir Österreich bleibe keine andere Alternative, als den gesamten Prozess neu aufzusetzen: „Stop der Verhandlungen, Abbruch“, so Mitterlehner. Gefordert sei die Transparenz des Verhandlungsprozesses und der angestrebten Ziele. Insbesondere gehe es um die Berücksichtigung der Standards, die national nicht unterboten werden dürfen, auch eine klare Neuausrichtung betreffend Investitionsschutz sei gefordert.
Da die US-Regierung nach der Präsidentschaftswahl neu organisiert wird, soll der Verhandlungsprozess auch erst nach der Wahl neu aufgenommen werden, so Mitterlehner. „Nur noch die kühnsten Optimisten erwarten, dass das heuer vor einem Abschluss steht.“ Die Ablehnung in der Bevölkerung sei außerdem so „einzementiert“, dass eine sachliche Auseinandersetzung gar nicht mehr möglich ist. Mitterlehner bedauerte weiters, dass durch TTIP das „an sich gute“ CETA-Ergebnis diskreditiert werde.
Nachverhandlungen „Ding der Unmöglichkeit“
Dass Kern das CETA-Abkommen nachverhandeln wolle, hält Mitterlehner für ein „Ding der Unmöglichkeit“, wie er dem „Kurier“ (Freitag-Ausgabe) sagte. „Sollten wir uns gegen das Abkommen entscheiden, würden wir voraussichtlich überstimmt, weil sich eine qualifizierte Mehrheit für CETA abzeichnet“, so Mitterlehner.
Und er konkretisiert: „Für CETA werden wir eine Linie finden, da nähern wir uns ganz gut an.“ Auf den Vorhalt, dass die vorläufige Anwendung von CETA dazu führen könnte, dass große Teile in Kraft sind, obwohl ein oder mehrere nationale Parlamente Nein dazu sagen, sagte Mitterlehner: „Die handelsrechtlichen Kompetenzen liegen bei der Kommission, so sind die Spielregeln.“
Kritik an Mitterlehners CETA-Verteidigung
Mit seinem Festhalten an CETA rief Mitterlehner unmittelbar die Kritiker in Österreich auf den Plan. Team Stronach(TS), Greenpeace und Global 2000 sehen in dem kanadisch-europäischen Freihandelsabkommen eine Hintertür für TTIP. Das TS forderte eine klare Positionierung der Regierung. „CETA ist keine Alternative zu TTIP“, so Klubchef Robert Lugar.
Die globalisierungskritische Bewegung ATTAC hält Mitterlehners Neupositionierung zu TTIP für ein Ablenkungsmanöver von CETA. Auch SPÖ-Abgeordneter Josef Cap befürchtet hinter Mitterlehners Kehrtwende zu TTIP den Versuch, CETA zu retten. Sollte sich das bewahrheiten, sieht Cap die Bemühungen jedoch zum Scheitern verurteilt, denn die Argumente, die gegen die beiden Abkommen sprächen, seien im Wesentlichen die gleichen.
IV: Riesenchance für Österreich
In der Debatte meldeten sich auch die TTIP-Befürworter zu Wort. Der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Jörg Wojahn, sagte in der ZIB2 Mittwochabend, es gebe auch andere Meinungen als jene von Österreich zu TTIP. „Wir verhandeln für alle 28 Mitgliedsstaaten ... Wir haben am 28. September ein Treffen aller Handelsminister, da wird es besprochen.“
Im Ö1-Morgenjournal Donnerstagfrüh sprach sich Industriellenvereinigung-Generalsekretär Christoph Neumayer gegen einen Verhandlungsstopp zu TTIP aus. Fairer, freier Handel sei eine „Riesenchance für Österreich“. Ein Wirtschaftsminister sollte immer zuallererst den Standort, die Unternehmer und die Arbeitnehmer im Fokus haben, übte er indirekt Kritik an Mitterlehner.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl betonte, der Zugang zum amerikanischen Markt sei ungeheuer wichtig, die Amerikaner seien Österreichs zweitwichtigster Handelspartner nach Deutschland. Aber das Freihandelsabkommen „muss ein faires Abkommen sein“.
WIFO: Sorgen haben wahren Kern
Der neue WIFO-Chef Christoph Badelt äußerte sich grundsätzlich positiv zu TTIP: „Es wird den Freihandel erleichtern und grundsätzlich positive Effekte haben, aber die Sorgen, die jetzt immer wieder in den Vordergrund gedrängt werden, haben natürlich einen wahren Kern.“
Man solle aber nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern eine klare Verhandlungsposition der Europäer formulieren. Der nun geforderte Verhandlungsstopp bis nach der US-Wahl sei offenbar ein Versuch, die Situation zu entkrampfen. Wenn man das in der Diktion tue, „wir wollen das eigentlich eh nicht mehr“, löse man in der europäischen Debatte die Hoffnung aus, das Ganze sei jetzt gestorben, kritisierte er.
Für Merkel ist TTIP noch nicht gescheitert
Dass ein endgültiger Abgesang auf TTIP verfrüht wäre, sagte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Ich glaube, dass ein solches Abkommen für uns Arbeitsplatzchancen bietet, und wir brauchen in Europa dringend Arbeitsplätze“, so Merkel in einem NDR-Info-Interview. „Dass mitten in den Verhandlungen, die jetzt zwar in ihre Endphase eintreten, aber jetzt schon gesagt wird, man glaubt nicht mehr, dass sie Erfolg haben, ist zumindest ungewöhnlich.“