Doch Rücktritt nach „Rattengedicht“
Nach der Empörung über eine Kolumne im Braunauer FPÖ-Parteiblatt tritt der Verfasser, Vizebürgermeister Christian Schilcher, zurück, wie Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner am Dienstag bekanntgab. Am Montag hatte das Schilcher auf ORF-Anfrage noch verneint.
Zudem werde Schilcher auch aus der FPÖ austreten, so Haimbuchner am Rande einer Pressekonferenz in Linz. Er sagte: „Ich halte nicht jede Dummheit und jeden Schwachsinn für einen innenpolitischen Skandal, das sage ich auch gleich vorweg. Aber der Herr Schilcher wird sein Amt zurücklegen und aus der Partei austreten.“ Das komme heraus, wenn ein Eisenbahner dichte, das sei, so Haimbuchner, „vielleicht nicht gescheit gewesen“. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache antwortete in einer Pressekonferenz anlässlich der Kampagnenpräsentation zur EU-Wahl zu Fragen nach Braunau.
Strache: „Um Schaden von der Partei abzuwenden“
Strache bestätigte am Dienstag, dass niemand von dem Text gewusst habe. Es sei nicht gegengecheckt worden. Ob es Druck von Strache auf Schilcher gegeben habe, zurückzutreten, ließ Strache offen: „Das war eine Regionalangelegenheit. Diese Entscheidung hat der Funktionär von sich aus getroffen.“ Der Rücktritt Schilchers erfolge laut Strache, „um Schaden von der Partei abzuwenden“. Schilchers „Rattengedicht“ stelle ein Fehlverhalten dar, das nicht mit Grundsätzen der FPÖ vereinbar sei.
Kurz lobt „klaren Schritt“ Straches
Lob für den angekündigten Rücktritt des Vizebürgermeisters kommt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Der Rücktritt des Vizebürgermeisters von Braunau war die einzig logische Konsequenz zu diesem abscheulichen und rassistischen Gedicht. Der klare Schritt des Vizekanzlers und der FPÖ-Spitze war notwendig und richtig“, so eine schriftliche Stellungnahme.
ÖVP OÖ begrüßt Rücktritt
Die ÖVP Oberösterreich begrüße den Rücktritt des Braunauer FPÖ-Vizebürgermeisters Schilcher, heißt es in einer ersten Stellungnahme von Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer am Dienstag. Landeshauptmann Thomas Stelzer habe klargemacht, dass ein derartig widerwärtiges Gedicht in Oberösterreich keinen Platz habe und auch nicht toleriert werde. Es sei gut und richtig, dass die FPÖ diesen Schritt gesetzt habe, der Schritt war alternativlos, so Hattmannsdorfer.
Gemeinderatsfraktionen distanzieren sich
Die Braunauer Gemeinderatsfraktionen ÖVP, SPÖ und Grüne distanzierten sich am Dienstag von der umstrittenen Kolumne. Der Artikel sei vollkommen inakzeptabel. Gerade im Hinblick auf das historische Erbe brauche es besondere Sensibilität und Wachsamkeit bei diesem Thema. Derartige Aussagen hätten in einer weltoffenen Stadt wie Braunau am Inn keinen Platz und seien keinesfalls zu tolerieren. Da der Gemeinderat keine Sanktionen setzen könne, erwarte man von der FPÖ-Fraktion umgehend entsprechende Schritte, um weiteren Schaden für die Stadt hintanzuhalten beziehungsweise von der Stadt abzuwenden, heißt es in der Aussendung. Die dürften mit dem Rückzug des Vizebürgermeisters jetzt wohl erfolgt sein.
Leichtfried fordert von Kurz Koalitionsende
Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried fordert Kurz auf, die Koalition mit der FPÖ zu beenden. Die „Minikonsequenz“, dass Schilcher nun zurücktrete, reiche natürlich nicht, so Leichtfried in einer Pressekonferenz. Vielmehr wäre es an der Zeit für Kanzler Kurz, „diesen Spuk“ zu beenden und auch an den Ruf des Landes zu denken. Solche Menschen hätten in einer Bundesregierung nichts zu suchen, so Leichtfried in Richtung des freiheitlichen Regierungsteams.
Kurz-Erklärung reicht für NEOS und Jetzt nicht aus
NEOS und Jetzt reicht die Erklärung von Bundeskanzler Kurz zu dem „Rattengedicht“ nicht aus. Noch vor Schilchers Rücktrittsankündigung verwiesen sowohl der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak als auch Jetzt-Klubobmann Bruno Rossmann in Pressekonferenzen darauf, dass es sich bei der FPÖ dabei um keinen Einzelfall handle.
Opposition äußert sich zu Rücktritt
Für die drei Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und Jetzt ist der Rücktritt zu wenig.
Rossmann bezeichnete es als „gut, aber unzureichend“, dass sich der Bundeskanzler distanziert habe. Seiner Meinung nach müsste Kurz „die Reißleine ziehen“ und die Koalition mit der FPÖ beenden. Dasselbe gelte für die Landeshauptleute in Oberösterreich und dem Burgenland, meinte der Jetzt-Klubobmann. Die Kritik der SPÖ an der FPÖ ist für Rossmann so lange unglaubwürdig, solange sie im Burgenland mit der FPÖ in einer Koalition ist. Für Rossmann ist und bleibt die FPÖ eine „rechtsextreme Partei“. Es gebe immer wieder Vorfälle dieser Art. Für „schlichtweg indiskutabel“ hält er es auch, dass FPÖ-Obmann Strache einen Artikel einer rechtsextremen Website gepostet habe. Als Vizekanzler müsse sich Strache von solchen Seiten distanzieren, forderte Rossmann.
Auch für Scherak bringt die Distanzierung des Bundeskanzlers „herzlich wenig“. Der stellvertretende NEOS-Klubchef meinte ebenfalls, dass sich damit am Kern der FPÖ nichts ändern werde. Derartige Aussagen seien nichts Neues, weil viele Funktionäre der FPÖ ein ungeklärtes Verhältnis zur Vergangenheit hätten. Die FPÖ könne sich noch so oft distanzieren, das sei offensichtlich im Kern der Partei drinnen. Und der Bundeskanzler habe gewusst, „mit wem er sich ins Bett legt“.
Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen
Das Gedicht könnte für Schilcher auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft Ried hat Dienstagmittag erklärt, Ermittlungen zu führen. Ein Verfahren sei aber noch nicht eingeleitet worden. „Wir schauen uns das jetzt an“, erklärte dessen Sprecher Alois Ebner auf Anfrage der APA. Es gehe wohl „primär Richtung Verhetzung“.