AK-Wien einstimmig gegen Sozialversicherungsreform
Die ArbeitnehmervertreterInnen lehnen die türkis-blaue Sozialversicherungsreform ab - und zwar auch die ÖVP-Fraktion ÖAAB/FCG und die Freiheitlichen Arbeitnehmern. Sie stimmten am Donnerstag bei der Vollversammlung für eine Resolution.
Mit der Resolution wird die Regierung aufgefordert, ihre Entwürfe zurückzunehmen. Die Umorganisation der Sozialversicherung wird von der Arbeiterkammer laut Aussendung abgelehnt, weil sie nur die Interessen der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung berücksichtige.
„Selbstverwaltung in Grundfesten erschüttert“
Mit den drei Gesetzesentwürfen der Regierung würde „die Struktur und die Selbstverwaltung der Sozialversicherung in ihren Grundfesten erschüttert“, dem Gesundheitssystem würden massiv Mittel entzogen. In der von allen Fraktionen mitgetragenen Resolution wird die Regierung auch aufgefordert, auf den sozialpartnerschaftlichen Weg des Interessensausgleichs zurückzukehren.
Außerdem sprach sich das Arbeitnehmer-Parlament gegen den Umbau der finanziellen Absicherung von Arbeitslosen in Richtung „Hartz IV“ aus. In einem mehrheitlich angenommenen Antrag der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) wurde eine Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 65 Prozent sowie die Beibehaltung der Notstandshilfe gefordert.
WGKK fürchtet Leistungskürzungen
Auch die Wiener Gebietskrankenkasse fürchtet durch die Reform der Sozialversicherung Verschlechterungen für ihre Versicherten. Es gibt keinen Ausgleichsfonds mehr, der vor allem der maroden Wiener Kasse viel Geld zugeschossen hat.
Die WGKK hat österreichweit gesehen die schwächsten Beitragszahler. Für eine Großstadt typisch leben hier die meisten Pensionisten, Arbeitslosen, Flüchtlinge oder Bezieher der Mindestsicherung. Die einkommensstarken Beitragszahler sind vor allem bei der Beamtenversicherung BVA versichert. Auch gibt es durch die vielen Spitäler viel mehr Ausgaben. Durch den Ausgleichsfonds sollen Ungleichstellungen unter den Bundesländern ausgeglichen werden, dies fällt künftig weg.
Für heuer stehen der WGKK aus dem Ausgleichsfonds noch rund 120 Millionen Euro zur Verfügung. Im neuen Innovationsfonds sind künftig für ganz Österreich 191,2 Millionen Euro. Für die Obfrau der WGKK, Ingrid Reischl, ist noch nicht klar, wie die Österreichische Gesundenkasse ÖGK damit umgehen wird, dass die Wiener Kasse jedes Jahr mehr ausgeben muss als sie einnimmt, „wenn die ÖGK dann keine Geldmittel zuteilt, dann wird es zu Leistungskürzungen kommen müssen“.
„Mehr Geld für Patienten gibt es nicht“
Reischl sieht nur kosmetische Änderungen. Ihrer Ansicht nach gehe es der Regierung nicht um die Sache sondern lediglich um eine Machtverschiebung. Sie bezweifelt auch weiterhin, dass es eine Milliarde Euro mehr für die Patienten gibt. „Es wird Geld dem System entzogen und trotzdem soll noch eine Milliarde mehr für Patienten da sein. Das kann mir niemand vorrechnen, das funktioniert nicht“, so Reischl gegenüber Radio Wien.
Wenn künftig Posten nicht nachbesetzt werden dürfen, werden sich die Wahrtezeiten erhöhen, beispielsweise auf MRT- und CT-Bewilligungen, Wahlarztvergütungen, Kinderbetreuungs- oder Krankengeld. Reischl rechnet auch mit mehr Selbstbehalten. Zudem würden Patienten dadurch wieder vermehrt in die teureren Spitalsambulanzen gehen, weswegen Reischl das Gesetz auch für ökonomisch absurd hält.
Gang zum Verfassungsgerichtshof möglich
Reischl setzt vorerst auf die Debatte im Parlament sowie auf den Bundesrat. Weiters überlegt sie den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH), „vielleicht ruft auch die SPÖ den Verfassungsgerichtshof an, das muss man sich jetzt im Detail anschauen“. Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) und die Wiener Arbeiterkammer (AK) haben den Gang zum VfGH bereits angekündigt.
Für Reischl ist es zudem unverständlich, dass die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) von dem Zusammenschluss der Sozialversicherungen ausgenommen bleibt. Für sie ist die neue Trägerstruktur „nicht logisch“.
Marode Finanzen bei WGKK nicht neu
Die finanzielle Situation der WGKK ist seit 1999 angespannt. Damals hatte die Regierung beschlossen, dass die - meist gut bezahlten - Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst von den Gebietskrankenkassen zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) wandern.
Weil es immer weniger Beamte gab, war die BVA in finanziellen Nöten, seit der Eingliederung erfreut sie sich hoher Einnahmen und konnte mittlerweile Reserven in Millionenhöhe aufbauen. Die Wiener Kasse verlor im Gegenzug eine ihrer einkommensstärksten Berufsgruppen. Seither hat die WGKK ein massives finanzielles Problem.