Eigentlich geht es nicht um eine „autofreie“ City, sondern um eine weitgehende Verbannung des motorisierten Individualverkehrs aus der Innenstadt. Ludwig sagte am Mittwoch, in einem vom Magistrat erstellten Rechtsgutachten seien zahlreiche Bedenken geäußert worden: „Vorliegende Verordnung ist kompetenzwidrig, damit verfassungswidrig. Sie hat keine passende gesetzliche Grundlage“, etwa weil sie sich auf die Straßenverkehrsordnung (StVO) stützt, zugleich aber auf den Klimaschutz abzielt. Die StVO diene ausschließlich der Aufrechterhaltung und Sicherheit bzw. Flüssigkeit des Verkehrs.
Auch das Sachlichkeitsprinzip sei verletzt worden, hieß es. Um eine Regelung auf ein Gebiet zu beschränken, müsse nämlich eine Gefahrensituation vorliegen, die nur in dem Bereich bestehe. Die Situation in dem Bezirk unterscheidet sich laut Gutachten aber nicht von jener in den angrenzenden Stadtteilen. Auch ein „Kundmachungsproblem“ wird geortet. Ein solches ergebe sich aus der großen Anzahl an Ausnahmen für das Einfahrtsverbot.
Datenschutz und Kontrolle ebenfalls negativ beurteilt
Ein datenschutzrechtlicher Vorbehalt wird zudem angesichts diverser Nachweise für eine Einfahrtserlaubnis, etwa von Auftragsbestätigungen, geortet. Die Verpflichtung zu deren Vorlage sei „weder angemessen noch erforderlich“, wird befunden. Überhaupt stellen die „unüberschaubaren“ Ausnahmen gemäß dem Gutachten eine Ungleichbehandlung dar. Ein Beispiel dafür: Arbeitnehmer dürfen mit dem eigenen Pkw zufahren, wenn es zeitlich nicht möglich ist, die „Öffis“ zu benutzen. Mit einem geborgten Auto etwa der Eltern ist das nicht gestattet.
Auch sei es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar, dass etwa bei der Abfahrt aus einer öffentlichen Garage der kürzeste Weg genommen werden müsse. Denn wenn sich jemand verfahre und damit nicht den schnellsten Weg wähle, wäre das laut Entwurf strafbar. Auch würden Ausnahmen für Personen fehlen, die etwa über einen Stellplatz verfügen, wird beklagt. Schlussendlich wird auch die Vollziehbarkeit angezweifelt. Die Richtigkeit und Echtheit von Dokumenten, die zum Einfahren berechtigen, kann laut dem Rechtsgutachten nicht in kurzer Zeit geprüft werden.
Ludwig kritisierte zudem die von Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) und Hebein gewählte „unübliche“ Vorgangsweise, sprach sich aber auch für eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt aus. Es gelte, das friedliche Miteinander aller Verkehrsteilnehmer auch in der City zu fördern. Außerdem wolle er, dass die Verkehrsberuhigung in allen Bezirken vorangetrieben werde. Dazu sollten nun weitere Gespräche mit allen Beteiligten geführt werden, schlug er vor.
Für Hebein „mutlos“, Figl will rasche Lösung
Ludwig verstecke sich offenbar wahlkampfbedingt hinter einem Rechtsgutachten. Seine Absage sei ein „mutloser Beschluss“, reagierte Hebein. Ludwig habe die Zukunft ausgebremst. Sie verwies darauf, dass die Regelung gemeinsam mit Juristen der entsprechenden Abteilungen im Rathaus erarbeitet worden sei und dass ihr externes Gutachten die Verordnung sehr wohl als verfassungs- und rechtskonform eingeschätzt habe. Nichtsdestrotrotz, es führe „kein Weg daran vorbei, dass wir raschest die Abgase reduzieren“.
Figl reagierte mit Kritik auf Ludwigs Absage, diese richtete sich allerdings auf den Entwurf der Verordnung: „Mit dem Verordnungsentwurf von Verkehrsstadträtin Birgit Hebein war auch der Bezirk nicht zufrieden“, sagte Figl. So sei unter anderem eine Kontingentlösung für Bewohnerinnen und Bewohner in der Stellungnahme des Bezirks ausdrücklich gefordert, aber in der Verordnung nicht berücksichtigt worden. In Richtung Ludwig sagte er, er freue sich über dessen nochmaliges Bekenntnis zur Verkehrsberuhigung: „Sie bleibt für uns als Bezirk weiterhin das erklärte Ziel.“
Ungläubiger Nepp, hoffnungsvolle Wirtschaftskammer
„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, kommentierte FPÖ-Chef und Vizebürgermeister Dominik Nepp Ludwigs Absage. Nachdem er in Sachen Schikanen zu Lasten der Geschäftstreibenden im ersten Bezirk weiter zu Gesprächen bereit sei, halte er sich sowohl Grüne wie ÖVP für ein „Koalitionspantscherl“ nach dem 11. Oktober frei.
Walter Ruck, der Präsident der Wirtschaftskammer Wien, sah in der Absage eine Chance, die notwendige Attraktivierung neu zu denken. Es müsse nun ein praktikables und zukunftsfähiges Gesamtkonzept entwickelt werden, das von allen Beteiligten – vor allem Anrainern, Wirtschaft und Nachbarbarbezirken – getragen werde.