Ganztagsschulen, mehr Autonomie?
Als „insgesamt kein zufriedenstellendes Ergebnis“ hat Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) das Resultat des PISA-Tests für Österreich bezeichnet. Sowohl in Mathematik als auch in Naturwissenschaft und Lesen sei die Risikogruppe der 15- und 16-jährigen Schüler zu groß und die Spitzengruppe zu klein.
„Wir müssen ein Schulsystem schaffen, das jede Schülerin und jeden Schüler individuell fördern kann und es schafft, nicht nur Wissen, sondern vor allem Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln, die sie ein Leben lang weiterbringen werden“, forderte Hammerschmid. Als ersten Schritt in diese Richtung sieht sie im Autonomiepaket für Schulen, das die Regierung im Oktober vorgestellt hat.
Das eigentlich noch für Dezember angekündigte Paket dürfte sich allerdings verzögern, wie Hammerschmid auf Nachfrage der APA einräumte. Es falle deutlich größer aus als erwartet, da man auch die neue Struktur der Schulbehörden eingewoben habe. Wahrscheinlich werde es erst im Jänner vorgelegt.
Hohe Erwartungen in Ganztagsschule
Hohe Erwartungen hat Hammerschmid an den Ausbau der Ganztagsschule. „Die neuesten PISA-Ergebnisse zeigen deutlich auf, dass gerade jene Länder, die das Ranking anführen, längst überwiegend Ganztagsschulen haben und ihren Schulen viel pädagogische Freiheit geben.“ Der in Österreich eingeschlagene Reformkurs stimme jedenfalls, nun müsse man die geplanten Vorhaben rasch umsetzen.
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/OECD
Ziel müsse es sein, dass Österreich bei der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführten PISA-Studie unter den Top Ten lande. „Wir müssen aus der Durchschnittsfalle herauskommen“, sagte Hammerschmid bei einer Pressekonferenz. Als Sofortmaßnahme sollen ab kommendem Schuljahr in den ersten Klassen der Volksschulen Lehrer Diagnose- und Förderinstrumente erhalten, um die Schwächen von Schülern angehen zu können. Geschlechtergerechte Ansätze in der neuen Lehrerausbildung, Fort- und Weiterbildung sollen außerdem dazu führen, dass Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften künftig nicht mehr schlechter abschneiden als Buben.
PISA-Bericht: Ernüchternde Ergebnisse
Der jüngste PISA-Bericht zeigt, dass sich österreichische Schüler in allen drei getesteten Bereichen punktemäßig verschlechtert haben - in Mathematik, in Naturwissenschaften und Lesen.
Mahrer hofft auf Wirkung der Bildungsreform
Hammerschmids Koalitionspartner in Bildungsfragen, Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), verwies angesichts der aktuellen PISA-Daten auf die Bildungsreform. Alle Maßnahmen der vergangenen Monate hätten das Ziel, die Bildungsqualität zu heben, so Mahrer beim „Debriefing“ nach dem Ministerrat. Die Ergebnisse will sich Mahrer am Nachmittag „in Ruhe zu Gemüte führen“.
ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank sieht die Regierung auf einem guten Weg. „Die von der Regierung gesetzten Reformschritte müssen so rasch wie möglich in den Klassenzimmern ankommen“, so Jank in einer Aussendung. Als Maßnahmen nannte sie unter anderem die Stärkung des Kindergartens, den besseren Übergang vom Kindergarten in die Volksschule, die Einführung von Sprachstartkursen und des Bildungskompasses. Auch die Einführung des zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres werde wichtige Impulse bringen, so Jank.
Grossmann drängt auf rasche Reformen
SPÖ-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann gehen die Reformen jedoch nicht rasch genug. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Es muss endlich Schluss sein mit Reformblockaden“, forderte die SPÖ-Abgeordnete in einer Aussendung. Der massive Ausbau von Ganztagsschulen, der im Unterrichtsauschuss beschlossen werden soll, sei dabei ein zentrales Element der notwendigen Reform. „Der nächste Schritt muss die Schulautonomie sein“, so Grossman.
Schon ein kurzer Blick auf Österreichs PISA-Ergebnisse zeige die zwei wesentlichen Probleme unseres Schulsystems. „Wir haben erstens zu viele Schüler und Schülerinnen in der Risikogruppe, und zweitens sind Schulleistungen noch immer extrem stark vom Bildungshintergrund und sozioökonomischen Status der Eltern abhängig", so die SPÖ-Bildungssprecherin. Kinder, deren Eltern sie nicht so gut in schulischen Belangen unterstützen können, seien extrem benachteiligt. „Und dieser Effekt ist in Österreich besonders stark ausgeprägt.“
Grüne: Lösung statt „kosmetische Eingriffe“
„Eltern und Lehrkräfte haben beschwichtigende Sonntagsreden zur Situation unseres Bildungssystems satt“, sagte der grüne Bildungssprecher Harald Walser: „Seit Jahren sind die Probleme bekannt, Lösungen liegen auf dem Tisch, statt Fortschritten gibt es aber nur Ankündigungen und kosmetische Eingriffe.“
Besonders ärgerlich sei das zwiespältige Verhalten der ÖVP, so Walser: „In den Bundesländern gibt es Reformkräfte, in der Bundespartei hingegen haben bislang die destruktiven Bremser rund um Klubobmann Reinhold Lopatka die Oberhand. Die Bevölkerung erwartet sich zu Recht, dass wir zügig und gemeinsam den Umbau des Bildungssystems in Angriff nehmen. Die Eckpunkte müssen in einem schon Anfang 2017 stattfindenden Nationalen Bildungsgipfel festgelegt werden.“
FPÖ: „Totales Versagen linker Bildungspolitik“
Für die FPÖ zeigten die Ergebnisse der Studie das „totale Versagen linker Bildungspolitik“, so Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung. „Wenn es nicht bald gelingt, Schulen zu Bildungseinrichtungen zu machen, die sich an den Kriterien Anstrengung, Leistung und Disziplin orientieren, dann ‚gute Nacht‘ für Österreichs Kinder.“
NEOS „alarmiert“, TS will „Scheck“
„Alarmiert“ ist NEOS angesichts der „immer gleichen Rituale“ seit der ersten PISA-Studie im Jahr 2000: „Seit 16 Jahren das gleiche Elend: Die Regierung redet und bringt nichts Substanzielles auf den Weg“, so Vorsitzender Matthias Strolz. Das Team Stronach (TS) will durch einen Bildungsscheck mehr Kindern die Möglichkeit geben, in Privatschulen zu gehen. Außerdem müsse die Bildungsreform schneller umgesetzt werden, so Klubobmann Robert Lugar.