News Archiv May 2018

Hacker: Familienbeihilfen-Kürzung „harakiri-mäßig“

Wiens neuer Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) übt Kritik an der Bundesregierung. Konkret warnt er vor Engpässen bei der 24-Stunden-Pflege - die geplante Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland nennt Hacker „harakiri-mäßig.“

Mit der vereinbarten Kostenabrechnung zwischen Bund und Ländern in Sachen Pflegeregress ist der erst am Donnerstag angelobte Neo-Ressortchef zufrieden - aber: In anderen Bereichen der Pflege würden gerade Handlungen gesetzt, „wo ich schon wieder das Gefühl habe, es werden die Folgewirkungen nicht betrachtet“, sagte Hacker im APA-Interview.

Dabei geht es um die geplante Reform der Familienbeihilfe und daraus folgenden Kürzungen für ausländische Pflegekräfte mit Kindern, die im EU-Ausland leben. „Wir haben österreichweit 60.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland in der 24-Stunden-Pflege. Wenn aufgrund der Einschränkungen nur zehn Prozent zu Hause bleiben, haben wir sofort ein veritables Problem.“

Risikoabschätzung für KH Nord

Er verstehe nicht, „mit welcher Schludrigkeit hier Maßnahmen in die Welt gesetzt werden, ohne über die Konsequenzen zu diskutieren“: „Ich finde das ein bisschen harakiri-mäßig, wie die Bundesregierung mit diesen Fragen flapsig umgeht“. Wobei der Stadtrat betont, dass Wien weniger betroffen sein wird, da hier die mobile Pflege weitaus mehr ausgebaut sei als in allen anderen Bundesländern.

Als Gesundheitsstadtrat ist Hacker nicht zuletzt für das problembehaftete Krankenhaus Nord verantwortlich. Sieht er in den Kostensteigerungen, Mängeln und Verzögerungen einen Skandal? „Ich kann es noch nicht beurteilen“, für die Aufarbeitung sei aber die U-Kommission zuständig: „Mein Job ist es, dieses Spital auf den Boden zu kriegen.“

Um böse Überraschungen zu vermeiden, hat der Ressortchef das Management des Krankenanstaltenverbunds und die KH-Nord-Verantwortlichen aufgefordert, noch einmal „sämtliche Zeitpläne für Bau, Fertigstellung und Besiedlung und alle Finanzpläne - sowohl für Betriebskosten als auch Investitionskosten - durchzugehen“. In drei Wochen wolle er einen gemeinsamen Bericht samt Abschätzung der bestehenden Risiken haben.

Künftig „nur ein Energiekreis, und das bin ich“

Zur Energetik-Causa meinte Hacker, hier sei die oft verschwimmende „Grenze zwischen Unfug und Inakzeptabel“ eindeutig überschritten worden. Und er verspricht: „In Zukunft gibt es nur mehr einen Energiekreis in dieser Geschäftsgruppe, und das bin ich.“

Als wichtigstes Gesetzesvorhaben bewertet der Gesundheitsstadtrat die noch von Vorgängerin Sandra Frauenberger (SPÖ) eingeleitete KAV-Reform. Klar sei, dass der KAV - künftig „Wien Kliniken“ - eine Anstalt öffentlichen Rechts werde. Was die Details anbelangt, werde er vor dem Gesetzesbeschluss noch die Stellungnahmen in der laufenden Begutachtung abwarten sowie Gespräche mit Personalvertretung und diversen Interessensgruppen führen: „Speed kills geht hier sicherlich nicht.“

Das Wichtigste sei jedenfalls, „dass 29.000 Mitarbeiter wieder mit Freude und Spaß in die Arbeit gehen“ und dazu sei es notwendig, dass es klare Führungs- und Verantwortungsstrukturen gebe.

Alkoholverbot-Ausweitung vorstellbar

Das - auch in der Wiener SPÖ nicht unumstrittene - Alkoholverbot am Praterstern sieht Hacker differenziert, aber grundsätzlich positiv. Die Frage sei freilich schon immer: „Wie viel Regulativ ist gescheit und wie viel Regulativ ist blöd.“

Er sei grundsätzlich der Meinung, dass Freiheit mit Zähnen und Klauen verteidigt gehöre: „Dafür braucht es aber eine Form des Agreements, wo alle einverstanden sein müssen. Wenn auf so engem Raum wie dem Praterstern dieses Agreement ins Wanken kommt oder nicht mehr funktioniert, weil einige wenige den Raum wesentlich überproportional für sich in Anspruch nehmen zulasten der Freiheit der Anderen, dann muss man regulierend eingreifen. Daher macht es schon Sinn, das einmal auszuprobieren.“

Eine Ausweitung des Verbots auf andere Standorte - aus Floridsdorf gibt es bereits entsprechende Begehrlichkeiten - kann sich Hacker vorstellen, „wenn wir am Praterstern einen durchschlagenden Erfolg nachweisen können“: „Gleichzeitig muss man aber auch darüber nachdenken, wie viel kollektive Freiheit man dadurch einschränkt.“

Wechsel in Politik: „Ehrgeiz war gering“

Hacker ist seit Donnerstag Stadtrat, vorher war er mehr als eineinhalb Jahrzehnte Chef des Fonds Soziales Wien. Dass er bisher keine großen Ambitionen in Richtung Politik hatte, verhehlt er nicht: „Mein Ehrgeiz war gering, weil ich die Politik und das Geschäft des Politikers kenne.“ Am Ende des Tages hätten aber mehr Argumente dafür gesprochen: „Ich habe mich zwei Tage lang mit mir selbst gequält und mich dann entschieden.“

Überzeugt habe ihn Ludwig durch dessen Vorstellungen von Teamarbeit und dass er Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten haben wolle. Angst vor innerparteilichen Zwistigkeiten hat Hacker nicht - nur soviel: „Wir haben in der SPÖ in der letzten Zeit zu viel sinnlose Energie nach innen vergeudet für null Output. Das ist völlig inakzeptabel.“

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Programm fertig: SPÖ will „neue Antworten“ geben

Keine großen Überraschungen

Die SPÖ hat ihr neues Programm fertig: Es soll ein „Kompass zur politischen Orientierung“ sein, wie dem Entwurf zu entnehmen ist. Inhaltlich bietet das Grundsatzprogramm keine allzu großen Überraschungen: Im Zuge der Digitalisierung wünscht man sich eine Arbeitszeitreduktion, die Bekämpfung des Klimawandels soll oberste Priorität haben, und in Sachen Migration setzt man auf „Integration vor Zuwanderung“.

„Die Welt steht nicht still“ - es brauche „neue Antworten“, heißt es zu Beginn des 65-seitigen Papiers, das am Freitag von Präsidium und Vorstand behandelt wurde. Vision der „sozialen Demokratie“ sei es, die „Klassengegensätze zu überwinden, alle Lebensbereiche mit Demokratie zu durchfluten und den Ertrag der gesellschaftlichen Arbeit gerecht zu verteilen“. Man kämpfe für „volle Gleichberechtigung“ unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter, Behinderung und sexueller Orientierung und für „soziale Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft“.

„Besinnung auf Fundamente“

Man besinne sich auf die politischen Fundamente der SPÖ, meinte Parteichef Christian Kern: „Das Herz der Sozialdemokratie schlägt nicht am Ballhausplatz, sondern an den Ziegelteichen am Wienerberg“, formulierte Kern, der nach der Wahl vom Kanzleramt in die Oppositionsrolle wechseln musste. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität sollen die Grundwerte der Partei bleiben. Auch die Verteidigung der Demokratie und ein Bekenntnis zum Antifaschismus finden sich im Programm.

Gremientagung der SPÖ

Bei der SPÖ tagten am Freitag die Gremien. Das neue Parteiprogramm sieht mehr Demokratie und Mitbestimmung der Mitglieder vor.

Die SPÖ fühlt sich zwar nach wie vor ihrer klassischen Klientel wie Industriearbeitern verpflichtet, will sich aber auch neuen Zielgruppen zuwenden: etwa prekär Beschäftigten, Einpersonenunternehmen, „Crowdworkern“ und Teilzeitbeschäftigten. Breiten Raum nimmt denn auch das Thema Arbeit ein, so soll die Digitalisierung als Chance verstanden werden. Es müsse entsprechende Investitionen in Bildung, Infrastruktur und die Förderung qualifizierter Zuwanderung geben.

Ziel der ganzen Reform müsse jedenfalls eine Repolitisierung sein, sagte Kern. In der Folge solle es gelingen, die Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen und auch wieder in Regierungsverantwortung zu gelangen, meinte der Parteichef.

Maschinen- und Erbschaftssteuer

„Wir begreifen uns als Partei des Fortschritts und der Veränderung - im Dienste der Menschen.“ Die „digitale Rendite“ müsse also fair verteilt werden. So fordert die SPÖ eine deutliche Reduktion der Arbeitszeiten. Ein konkretes Modell soll - wie für andere Bereiche im großteils allgemein gehaltenen Grundsatzprogramm - noch erarbeitet werden. Vorstellbar wäre für die Roten etwa eine Viertagewoche mit einem „Bildungstag“. Ein explizites Bekenntnis gibt es zur Sozialpartnerschaft und Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer.

Unter dem Titel „Wohlfahrtsstaat“ wünschen sich die Sozialdemokraten eine starke Entlastung der Arbeit. Einkünfte aus Finanzvermögen dürften nicht geringer besteuert werden als Arbeitseinkommen. Im Programm stehen auch rote Klassiker wie eine Maschinensteuer („Auch Roboter sollen den Sozialstaat mitfinanzieren“) und eine Erbschaftssteuer. Zudem soll umweltschädliches Verhalten quasi steuerlich bestraft werden.

Rote jetzt grüner

Überhaupt fischen die Roten in grünen Gewässern und verschreiben sich voll und ganz dem Umweltschutz. Österreich solle bis 2040 CO2-frei werden. Das werde erhebliche Investitionen erfordern - „aber im Zweifelsfall zieht die Sozialdemokratie einige Milliarden Euro Schulden durch Investitionen in erneuerbare Energien der Zerstörung unseres Planeten vor“, heißt es in einer Presseunterlage. Ein bisschen Selbstkritik ist im Programm auch zu lesen: Die Sozialdemokratie habe dem Wirtschaftswachstum oft eine „Vorrangstellung“ gegenüber ökologischen Anliegen eingeräumt - dabei müssten Letztere „höchste Priorität“ haben.

„Integration vor Zuzug“

Ein Eiertanz war für die SPÖ stets das Thema Migration. Hier bemüht die Partei nun im Programm das Motto „Integration vor Zuzug“. Einerseits bekennt man sich im Programm „uneingeschränkt“ zur Genfer Flüchtlingskonvention und dem Recht auf Asyl. Man sei aber auch der Meinung, dass Schutzsuchenden am besten in der Nähe ihrer Heimat geholfen werden kann, und will Hilfe an Ort und Stelle forcieren.

Gleichzeitig verwahrt man sich gegen alle Versuche, „Religion für politische Zwecke zu missbrauchen und anderen Werte und Lebensweisen aufzuzwingen“. Damit wollen sich die Sozialdemokraten gegen Parallelgesellschaften, Vereine unter der Aufsicht ausländischer Religionsbehörden und jede Form von Extremismus stellen. Jeder müsse Deutsch lernen und Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit akzeptieren.

Liebeserklärung an Europa

Eine Arbeitsgruppe soll zu diesem Komplex bis zum Parteitag im Herbst Details ausarbeiten. „Wir brauchen eine klare Antwort, sonst wird es als ‚keine Antwort‘ verstanden in der Bevölkerung - das heißt ja nicht, dass man das unanständig machen muss“, sagte Kern.

Unter dem Motto „Für ein Europa zum Verlieben“ soll laut Programmentwurf die EU gestärkt werden, etwa durch eine Aufwertung von EU-Kommission und -Parlament und die Umwandlung des Rates in eine Länderkammer. Notwendig seien etwa eine gemeinsame Steuerpolitik sowie „fairer Welthandel“ statt Freihandel.

Weiter für gemeinsame Ganztagsschule

In Sachen Gleichberechtigung finden sich im Papier altbekannte SPÖ-Forderungen wie Frauenquoten, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und der Rechtsanspruch auf Gratiskinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Im Bildungsbereich tritt man nach wie vor für eine gemeinsame Ganztagsschule der Sechs- bis 14-Jährigen ein, beim derzeit heißen Thema Sozialversicherungen für eine Vereinheitlichung der Bedingungen für die Versicherten.

Zu guter Letzt will die SPÖ gemäß dem landläufigen Trend einen Beitrag dazu leisten, „die Debattenkultur“ zu erneuern - dazu gehörten „ein grundlegend positiver Stil“, eine klare und einfach verständliche Sprache und eine „wertschätzende Grundhaltung“.

Befragung im Juni, Abstimmung im Oktober

Über 16.000 Personen haben laut Partei in verschiedener Form an der Entwicklung des Programms, das auf 20 Jahre angelegt sei, teilgenommen. Ebenso wie die Statutenreform wird das neue Grundsatzprogramm mittels Mitgliederbefragung in der zweiten Juni-Hälfte und an einem Parteitag im Oktober abgesegnet. Der von Kern letztes Jahr vorgestellte „Plan A“ sei weiterhin gültig. Angesichts der breiten Einbindung der Mitglieder im Vorfeld würde Kern eine Ablehnung überraschen, sei das Papier doch quasi das Ergebnis der „Schwarm-Intelligenz der Sozialdemokratie“.

Jugendorganisationen mit Bedenken

Beim Votum im Vorstand gab es am Freitag Ablehnung durch die Jugendorganisationen. Kern bewertete das sarkastisch. Man habe sich eben dazu entschlossen, die Abschaffung des Kapitalismus nicht ins Parteiprogramm zu schreiben, weil das in den kommenden Perioden doch eher unrealistisch sei.

Dass das Verhältnis zur FPÖ im Grundsatzprogramm nicht vorkommt, erklärte der Parteichef mit dem ohnehin vorhandenen Kriterienkatalog für Koalitionspartner. Nach zwischenzeitlicher Annäherung gibt sich Kern nun für die Bundespartei gegenüber der FPÖ wieder äußerst distanziert: „Mir geht diese Skrupellosigkeit zu weit.“

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Ludwig zum neuen Wiener Bürgermeister gewählt

Wien hat einen neuen Bürgermeister: Michael Ludwig (SPÖ) ist am Nachmittag vom Gemeinderat gewählt worden

Er erhielt 56 von 100 abgegebenen Stimmen. In seiner Rede davor versprach er den Grünen Koalitionstreue.

Die Wahl fand in geheimer Abstimmung statt. Um Bürgermeister zu werden, brauchte Ludwig eine einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Nachdem eine der 100 Stimmen ungültig war, hätten 50 Ja-Stimmen gereicht. Die Regierungsparteien SPÖ und Grüne verfügen in Summe über 54 Mandate, demnach stimmten auch Gemeinderäte aus der Opposition für Ludwig als Bürgermeister. 43 Gemeinderäte stimmten gegen ihn. Ludwig wurde unmittelbar nach der Wahl formell angelobt.

Ludwig am 24. Mai im Gemeinderat

APA/Georg Hochmuth

Ludwig erhielt auch Stimmen aus der Opposition

Ludwig zu Grünen: „Bin ein sehr treuer Mensch“

In seiner Rede vor der Wahl versicherte Ludwig den Grünen, die Koalition weiterführen zu wollen: „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein sehr treuer Mensch bin, im Privaten wie im Politischen.“ Es gebe noch zahlreiche Punkte im Koalitionsübereinkommen zu erledigen: „Ich freue mich sehr auf diese Zusammenarbeit.“

Davor bedankte er sich bei den scheidenden roten Regierungsmitgliedern Sandra Frauenberger (Gesundheit und Soziales), Renate Brauner (Wirtschaft und Finanzen) und Andreas Mailath-Pokorny (Kultur), bei seiner Lebensgefährtin („Das Einzige, was uns von der Hochzeit abhält, ist der Termin“) sowie bei Häupl. „Ich freue mich sehr, dass du angekündigt hast, deine Kompetenzen auch weiter der Stadt zur Verfügung zu stellen“, so Ludwig zu Häupls Angebot, bei Bedarf Aufgaben etwa im Wissenschaftsbereich zu übernehmen.

Rede von Michael Ludwig (SPÖ)

Michael Ludwig (SPÖ) stellt sich als Nachfolger von Michael Häupl (SPÖ) und neuer Bürgermeister den Mandataren vor.

Er wolle den Wiener Flair erhalten, trotzdem seien „Akzente für die Zukunft“ zu setzen, skizzierte Ludwig. Ziel sei weiters, die stadtverträgliche Mobilität zu fördern, also etwa den öffentlichen Verkehr auszubauen. Für Autos sollten aber gleichzeitig keine „Hürden“ errichtet werden. Nötig sei es auch, den Schwerverkehr aus der Stadt abzulenken. Von daher möchte er auch seiner „persönlichen Genugtuung“ Ausdruck verleihen, dass nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Lobautunnel nun gebaut werden könne: „Ich weiß, dass das nicht ein ganz unumstrittenes Thema ist, auch nicht in der Regierungskoalition.“

Verteidigung von Praterstern-Alkoholverbot

Auch auf die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts verwies Ludwig wiederholt, wobei er hervorhob: „Die Sozialpartnerschaft ist ein ganz wichtiger Punkt.“ Arbeiterkammer und Gewerkschaft seien wichtig - auch in Verbindung mit der Wiener Wirtschaft.

Ludwig und Vassilakou am 24. Mai im Gemeinderat

APA/Georg Hochmuth

„Ich freue mich sehr auf diese Zusammenarbeit“, so Ludwig zu den Grünen

Ludwig widmete sich weiters dem - ihm besonders wichtigen, wie er beteuerte - Thema Sicherheit. Wien sei nach wie vor eine der sichersten Städte, hob er hervor. Zugleich verteidigter er den umstrittenen Alkoholbann auf dem Praterstern: „Ich sage es ganz deutlich, das Alkoholverbot am Praterstern ist nicht als alleinige Maßnahme zu sehen.“ Denn auch die Sozial- und Hilfseinrichtungen seien eingebunden und dort tätig.

Ludwig für Opposition kein „Verbinder“

Die Opposition begrüßte Ludwig wenig freundlich. Sowohl NEOS als auch ÖVP beklagten im Anschluss an dessen Antrittsrede im Gemeinderat, dass weder er noch die neuen Stadträte im Vorfeld das Gespräch mit ihnen gesucht hätten. „Daher sind Sie aus unserer Sicht kein Verbinder“, kritisierte der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP). NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger forderte zudem ein neues Politikverständnis: „Eine Politik, die so stark auf Freunderlwirtschaft und Machterhalt ausgerichtet ist, wird abgewählt werden.“

Der freiheitliche Vizebürgermeister Dominik Nepp bezeichnete die neue Stadtregierung als „Kabinett von Bonzen und SPÖ-Apparatschiks“. „Sie sind keine Erneuerung, auch ihr Team ist keine Erneuerung. Im Gegenteil, das, was Sie heute präsentiert haben, ist die Verfestigung eines alten roten Filzes“, meinte er.

Übersichtsbild neues SPÖ Regierungsteam

APA/Georg Hochmuth

Auch die neuen Stadträte werden am Donnerstag gewählt

Mindestsicherung für Vassilakou nicht antastbar

Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) hieß Ludwig und ihre neuen Stadtratskollegen dagegen willkommen. Sie bedankte sich bei Häupl für die gute Zusammenarbeit und appellierte an Ludwig, diese fortzusetzen. Inhaltlich stellte sie klar, was für sie nicht verhandelbar ist. „Die Wiener Mindestsicherung wird nicht angetastet, weil Wien niemanden im Stich lässt.“

Häupl sagte „Auf Wiedersehen“

Ludwig übernimmt das Amt von Langzeitbürgermeister Häupl, der fast 24 Jahre lang den Chefsessel im Rathaus innehatte. Häupl verabschiedete sich am Donnerstagvormittag mit einer Rede im Gemeinderat. Bevor er mit einem „Auf Wiedersehen“ schloss, mahnte er auch einen respektvolleren Umgang in der Politik ein.

Auch die Wahl der vier neuen Stadträte, die Ludwig ins SPÖ-Regierungsteam geholt hat, steht noch auf dem Programm. Kathrin Gaal übernimmt von Ludwig das Wohnbauressort, Peter Hacker löst Gesundheits- und Sozialstadträtin Sandra Frauenberger ab, Peter Hanke wird Nachfolger von Finanzstadträtin Renate Brauner und Veronica Kaup-Hasler beerbt Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky und Umweltstadträtin Ulli Sima behalten ihre Jobs und müssen nicht erneut gewählt werden.

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Bund und Länder verhandeln über Geld für Kinderbetreuung

Am Donnerstag starten - vorerst auf Beamtenebene - zwischen Bund und Ländern die Verhandlungen zum Ausbau der Kinderbetreuung. Wie viel Geld es dafür künftig geben wird, ist offen. Der Schwerpunkt soll auf mehr Plätzen für die Kleinsten und der Flexibilisierung der Öffnungszeiten liegen, hieß es aus dem Büro von Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP).

Kindergärten sind eigentlich Ländersache, der Bund leistet aber seit Jahren über mehrere sogenannte 15a-Vereinbarungen Zuschüsse: Das Gratis-Kindergartenjahr wird vom Bund mit 70 Mio. Euro pro Jahr unterstützt, die sprachliche Frühförderung mit 20 Mio. Euro und der Kindergartenausbau mit 52,5 Mio. Euro (die von den Ländern und Gemeinden kofinanziert werden).

Diese Vereinbarungen, die bald auslaufen, sollen nun zu einer einzigen zusammengefasst werden. Ziel sei es, durch die Zusammenlegung der Bund-Länder-Verträge mehr Transparenz und Synergien zu schaffen, so das Familienministerium.

„Symbolischer Beitrag“ im Budget

Noch völlig offen ist dabei, wie viel Geld der Bund künftig in die Kinderbetreuung steckt. Zuletzt hatte es Irritationen darüber gegeben, dass der Bund im Gegensatz zu den letzten Jahren für 2019 mit 1.000 Euro de facto nichts für den Ausbau der Kinderbetreuung budgetiert hat. Im Bundesvoranschlag 2019 finden sich lediglich die 20 Mio. Euro für die Sprachförderung und die 70 Mio. Euro für den Gratiskindergarten.

In Bogner-Strauß’ Büro wollte man sich auf APA-Anfrage vor Verhandlungsbeginn weiterhin nicht auf eine Summe festlegen - nur soviel: „Es werden mehr als die 1.000 Euro sein“, handle es sich dabei doch nur um einen „symbolischen Betrag“ im Budget. Die Vereinbarung soll jedenfalls wieder auf mehrere Jahre abgeschlossen werden und nicht mehr wie zuletzt nur für ein Jahr. Damit ermögliche man den Ländern auch Planungssicherheit.

Geht es nach Bogner-Strauß, soll das Geld, das der Bund zuschießt, vorwiegend in den Ausbau der Plätze für Unter-Dreijährige fließen. Damit soll endlich das Barcelona-Ziel mit einer Betreuungsquote von 33 Prozent erreicht werden - das hätte übrigens eigentlich schon 2010 passieren sollen.

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Arbeitszeit: Gewerkschaft übt harte Kritik an Mahrer

Der neue Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) startet mit einem veritablen Konflikt mit den Gewerkschaften in sein neues Amt. Nachdem Mahrer den Arbeitnehmervertretern im Zusammenhang mit der von der Regierung geplanten Anhebung der Höchstarbeitszeit „Gräuelpropaganda“ vorgeworfen hatte, reagierte die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida mit massiver Kritik.

„Realitätsfremd und zynisch“

Vida-Chef Roman Hebenstreit (SPÖ) nannte Mahrers Aussagen heute „realitätsfremd und zynisch“. Er kritisierte neben der angekündigten Arbeitszeitflexibilisierung auch die von der Regierung geplante Senkung der Strafen bei Arbeitsrechtsverstößen durch die Abschaffung des „Kumulationsprinzips“ sowie die Forderung der Wirtschaft nach Lockerung des Gesetzes gegen Lohn- und Sozialdumping.

„Noch nie dagewesene Unverschämtheit“

„Mit einer noch nie dagewesenen Unverschämtheit gegenüber dem Sozialpartner und den Arbeitnehmerinnen fordert die Wirtschaftskammer auch Alibisanktionen im Fall von gewerblichen Betrügereien“, so Hebenstreit in einer Aussendung. Der Chef der Produktionsgewerkschaft Pro-GE, Rainer Wimmer (SPÖ), hatte die Arbeitszeitflexibilisierung zuvor als „ausbeuterisches Vorhaben“ bezeichnet.

Mahrer hatte die Kampagne der Gewerkschafter gegen die Verlängerung der Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden täglich bzw. 60 Stunden pro Woche in seiner Antrittsrede als „Gräuelpropaganda“ zurückgewiesen. Er betonte, dass weiterhin alle Überstunden abgegolten würden, und sagte wörtlich: „Aber es gibt halt viele, die sind immer gegen etwas, und das sind in Wirklichkeit auch die Gegner unserer Republik.“

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Kassenreform: Fünf statt 21, weniger Gewerkschaftseinfluss

Die Regierung will am Dienstag ihre Pläne zur Sozialversicherungsreform vorstellen. Bekannt ist unter anderem die Fusion von 21 auf fünf Sozialversicherungen.

Geänderte Machtverhältnisse

Laut Medien ist auch eine weitgehende Änderung der Machtverhältnisse in den Krankenkassen geplant: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen künftig je die Hälfte der Mandate stellen, womit in vielen Gremien der Selbstverwaltung ÖVP-FPÖ-Mehrheiten möglich wären.

Derzeit dominieren in den neun Gebietskrankenkassen die Arbeitnehmervertreter: Die Arbeiterkammer stellt vier Fünftel der Mitglieder in Vorstand und Generalversammlung, nur in der Kontrollversammlung ist es umgekehrt. Da hat die Wirtschaftskammer die Mehrheit. Damit werden die meisten Gebietskrankenkassen von SPÖ-Gewerkschaftern geführt. Nur in Vorarlberg und Tirol gibt es ÖVP-Mehrheiten.

Nur noch je einen „Verwaltungsrat“ auf Bundesebene

Wie mehrere Medien am Wochenende berichten, soll es in der geplanten „Österreichischen Gesundheitskasse“ anstatt der derzeitigen Gremien künftig nur noch je einen „Verwaltungsrat“ auf Bundesebene und in den neun Landesstellen geben. Der würde je zur Hälfte mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt. Das würde in vielen Gremien eine Machtverschiebung von den SPÖ-Gewerkschaftern hin zu ÖVP-FPÖ bedeuten.

Die Leistungen sollen künftig zentral vorgegeben, die Beiträge zentral eingehoben werden. Die regionale Selbstverwaltung dürfte den Berichten zufolge nur noch über Gesundheitsplanung und Gesundheitsziele entscheiden und „innovative Projekte“ begleiten. Neben der „Österreichischen Gesundheitskasse“ soll es künftig noch die AUVA, die Pensionsversicherung sowie eine Sozialversicherung für Beamte und Bergbau sowie für Bauern und Unternehmer geben.

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AK: Schwarz-rote Front gegen Bundesregierung

Bei der Vollversammlung der Vorarlberger Arbeiterkammer herrschte am Donnerstag viel Einigkeit zwischen ÖVP und SPÖ. Besonders hoch gingen die Wogen beim Thema Krankenkassen-Zusammenlegung, aber auch bei den geplanten Kürzungen beim AMS und dem 12-Stunden-Tag.

Massiver Gegenwind bläst der Bundesregierung bei ihren Reform-Plänen von Arbeitnehmerseite entgegen. So lässt die geplante Zusammenlegung der Krankenkassen die Wogen seit Wochen hoch gehen - so auch bei der Vollversammlung der Vorarlberger AK am Donnerstag. Für den Präsidenten der Vorarlberger Arbeiterkammer, Hubert Hämmerle (ÖVP), ist dieses Papier „kein Reformpapier, es stehen keine Verbesserungen für die Versehrten drin, es ist nichts anderes als der Versuch, Macht und Einfluss zu bekommen, das Ganze zu zentralisieren und zu verstaatlichen“.

Die Freiheitlichen Arbeitnehmervertreter verlangen hingegen - ganz im Sinne der Regierung - eine Systemänderung bei den Krankenkassen: „Wir begrüßen den Reformwillen der Bundesregierung, wir wollen auch eine Zusammenlegung der Krankenkassen“, so Milina Kloiber von der Fraktion Freiheitlicher Arbeitnehmer, „aber was ganz wichtig ist: Die Budget- und die Vertragshoheit müssen im Lande bleiben und es darf auf keinen Fall Verschlechterungen für die Patienten geben“.

AK: Schwarz-rote Front gegen Regierung

Bei der Arbeiterkammer-Vollversammlung waren sich schwarze und rote Gewerkschafter in ihrer Ablehnung der Regierungspläne einig.

Gemeinsame Ablehnung von Regierungsplänen

Insgesamt war das Wort „nein“ auffallend oft von den AK-Delegierten zu hören. „Nein“ zu Kürzungen beim Arbeitsmarktservice, „nein“ zu „schleichenden Steuererhöhungen“: Gegen die Regierung ziehen schwarze und rote Gewerkschafter an einem Strang. Ähnlich die Fronten beim 12-Stunden-Arbeitstag: Strikte Ablehnung von Schwarz und Rot, während die Freiheitlichen dadurch mehr Flexibilität für die Arbeitnehmer sehen.

„Mir sträubt es sich bei all den Vorhaben, die die Regierung hat“, so AK-Vizepräsidentin Manuela Auer (SPÖ), „mich schüttelt es tagtäglich, wenn ich diese Bilanz anschaue. 12-Stunden-Arbeitstag, 60-Stunden-Woche, wir reden von massiven Steuergeschenken für die Arbeitgeber“.

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Gewerkschaft younion: Regierung nimmt Lehrlingen die Perspektiven

Radikale Kürzung von Lehrlingsentschädigungen ist unverantwortlich

„Anstatt Fachkräfte zu fördern, setzt die ÖVP/FPÖ-Regierung bei den Lehrlingen den Sparstift an. Gespart wird gerade bei denjenigen Jugendlichen, die am meisten auf Unterstützung angewiesen sind. Das verbaut die Jobchancen für tausende junge Menschen“, kritisierte heute, Montag, der Leitende Referent der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, Erich Kniezanrek.

„Allein in den vergangenen zehn Jahren sind rund 10.000 Lehrlingsplätze verloren gegangen. Diese Krise auf dem Rücken Jugendlicher weiter zu verstärken, ist unverantwortlich“, bekräftigte der Bundesjugendvorsitzende der younion, Nicolai Wohlmuth. Die Regierung will über 18-jährigen Lehrlingen in überbetrieblichen Lehrwerkstätten (ÜBA) die Lehrlingsentschädigung von 753 EURO auf 325,8 EURO pro Monat kürzen. „Der Schritt in ein Lehrverhältnis ist ein Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Mit dieser Kürzung um mehr als die Hälfte, raubt die Regierung den Lehrlingen ihre Perspektiven“, erklärte Wohlmuth.

„Die überbetrieblichen Lehrstätten sind eine wesentliche Säule der Ausbildung. Aktuell werden in Österreich über 9.000 Lehrlinge überbetrieblich ausgebildet. Die Tendenz ist steigend“, betonte die Bundesjugendreferentin der younion, Nicole Tuschak. Die Wirtschaft ruft regelmäßig nach ausgebildeten Fachkräften – aber viel zu wenige Unternehmen bilden Lehrlinge aus. Tuschak: „Diese Betriebe könnten sich an ArbeitgeberInnen wie der Stadt Wien oder den Wiener Stadtwerken ein Beispiel nehmen. Dort werden zum Teil über den eigenen Bedarf hinaus Lehrlinge mit viel Engagement ausgebildet.“

„Lehrlinge sollten gefördert und unterstützt werden und für ihre Leistung Anerkennung bekommen. Schließlich sind sie für den österreichischen Wirtschaftsstandort wichtig. Aber einmal mehr zeigt sich, dass Lehrlinge dieser Regierung egal sind“, schlossen die VertreterInnen der younion-Jugendabteilung.

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Wiener SPÖ beschließt Personalpaket

Im Wiener Rathaus ist heute nach den Gremiensitzungen der Wiener SPÖ das künftige rote Regierungsteam präsentiert worden. Neu dabei sind Peter Hanke (Ressort Finanzen und Wirtschaft), Kathrin Gaal (Wohnen), Veronica Kaup-Hasler (Kultur) und Peter Hacker (Gesundheit und Soziales). Umweltstadträtin Ulli Sima und Bildungs- bzw. Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky bleiben.

Der designierte Bürgermeister und Landesparteivorsitzende der Wiener SPÖ, Michael Ludwig, stellte sein Team zu Mittag den Medienvertretern vor. Der neue Wirtschaftsstadtrat Hanke ist derzeit noch Chef der Wien-Holding, Gaal ist Gemeinderätin und SPÖ-Vorsitzende in Favoriten. Der künftige Gesundheitsstadtrat Hacker fungiert seit 2001 als Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien.

Quereinsteigerin für Kulturressort

Als Quereinsteigerin wurde im Kulturressort überraschend Kaup-Hasler präsentiert. Sie war von 2006 bis 2017 Intendantin des steirischen herbstes - und unter anderem auch bei den Wiener Festwochen als Dramaturgin tätig.

Einen Wechsel gibt es auch im Landtagspräsidium: Der bisherige Gemeinderat und SPÖ-Kultursprecher Ernst Woller folgt in dieser Funktion auf Noch-Landtagspräsident Harry Kopietz. Die Angelobung Ludwigs als Nachfolger von Langzeitstadtchef Michael Häupl sowie der neuen amtsführenden Stadträte findet am 24. Mai im Gemeinderat statt.

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AMS spart bei Lehrlingen

Hohe Folgekosten befürchtet

Die Förderung für Lehrlinge in der überbetrieblichen Ausbildung wird vom Arbeitsmarktservice (AMS) gekürzt. Für über 18-Jährige soll die Ausbildungsbeihilfe ab September halbiert werden. Eine Maßnahme, die Kritik nach sich zieht. Viele Jugendliche könnten sich dann eine Lehrausbildung nicht mehr leisten. Das könnte den Fachkräftemangel weiter verschärfen und langfristig höhere Sozialkosten nach sich ziehen, so eine Befürchtung.

Wer keine Lehrstelle in einem Betrieb findet, kann sich auch um einen Platz in einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung bewerben. Derzeit werden etwa 11.000 Jugendliche und junge Erwachsene in solchen Werkstätten ausgebildet. Vergangenen Dienstag hat der Verwaltungsrat des AMS mehrheitlich beschlossen, die Förderung der überbetrieblichen Ausbildung zu kürzen. Derzeit erhalten alle Lehrlinge, unabhängig vom Lehrjahr, 753 Euro monatlich. Aber Herbst sollen Lehrlinge, die älter als 18 Jahre alt sind, im ersten und zweiten Lehrjahr nur noch 325,80 Euro erhalten.

Keine Konkurrenz für Betriebe

Man habe sich zu diesen Kürzungen entschlossen, weil sich die wirtschaftliche Situation in Österreich in den vergangenen zwölf Monaten stark verbessert habe, sagte Sebastian Paulick, Sprecher des AMS Wien gegenüber ORF.at. Die Unternehmen seien ausbildungswillig, und deswegen wolle man Jugendliche wieder stärker in Betrieben und nicht in der außerbetrieblichen Ausbildung unterbringen. Letztere sei immer nur der „Plan B“ gewesen.

Dass die gute Konjunktur und die demografische Entwicklung einen Lehrlingsmangel erwarten lassen, bestätigte auch der Arbeitsmarktökonom Herbert Walther von der Wirtschaftsuniversität Wien im Gespräch. Die österreichischen Betriebe hätten in den vergangenen Jahren zu wenige Lehrlinge ausgebildet. Das würde den Fachkräftemangel verstärken. Die überbetrieblichen Ausbildungsangebote würden aber nicht in echter Konkurrenz zu den Betrieben stehen, so Walther. Die Zielgruppe für diese Lehrstellen sei eine andere.

Angst vor Problemfällen

Ein schlechtes Schulzeugnis, mangelnde Berufsreife oder die Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind die Hauptursachen, warum junge Menschen keine Lehrstelle in einem Betrieb finden. „Dass diese Jugendlichen einen besonderen Förderungsbedarf haben, liegt auf der Hand“, so Walther. Die überbetrieblichen Ausbildungsstätten seien „Auffangbecken“ für jene Jugendliche, die sich zwar um eine betriebliche Lehrstelle bewerben, aber keine bekommen. In Bezug auf die gesetzliche Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr sei das eine wichtige und sinnvolle Maßnahme.

Der Arbeitsmarktökonom bezweifelt, dass höhere Förderungen für Lehrstellen in Betrieben an dieser Situation etwas ändern würden. Das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ sieht zwar vor, die Ausbildung in Betrieben prioritär zu fördern. Die Unternehmen seien aber risikoscheu und würden vor potentiellen Problemfällen zurückschrecken. „Schäden bei Fehlbedingungen an Maschinen sind extrem teuer“, so Walther, „da wird man auch mit hohen Förderungen wenig ausrichten können.“ Wie genau die Pläne der Regierung in puncto betrieblicher Förderung aussehen, ist noch nicht klar. Auf Nachfrage von ORF.at hieß es, die zuständige Sektion würde daran arbeiten.

Ohne Ausbildung höhere Folgekosten

Die Kürzungen bei der Ausbildungsförderung könnten dazu führen, dass die betroffenen Jugendlichen keine Lehrausbildungen beginnen bzw. die außerbetriebliche Lehre abbrechen und stattdessen versuchen, ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs zu verdienen. Das erzeuge langfristige Folgekosten für das Sozialsystem, so Walther. „Viele von diesen Jugendlichen werden dank der intensiven Betreuung tatsächlich arbeitsmarktfähig, was die Kosten der Ausbildung oder gar die vermiedenen Alternativkosten der Sozialhilfe mit Sicherheit hereinspielt“, erläuterte der Ökonom weiter.

Auch die Gewerkschaftsjugend kritisierte die geplanten Kürzungen. Den Jugendlichen in der überbetrieblichen Ausbildung Geld zu streichen, werde nicht dazu führen, dass sie morgen eine Lehrstelle in einem Betrieb finden, heißt es in einer Aussendung. Sie würden im Durchschnitt ohnehin schon weniger verdienen als bei einer betrieblichen Ausbildung. Das AMS verweist darauf, dass zumindest ein Teil der Betroffenen um Aufstockung auf Mindestsicherung ansuchen könne. Das sei allerdings nicht möglich, wenn die Jugendlichen im Familienverbund leben.

Ausbildungsplätze nur im Westen

In Wien, wo am meisten überbetriebliche Ausbildungsplätze in Anspruch genommen werden, bieten nur acht Prozent der Betriebe Lehrstellen an. Dem stehen 20.000 unbesetzte Lehrstellen in ganz Österreich gegenüber, die meisten davon in westlichen Bundesländern. Dorthin wolle man Ausbildungssuchende aus den östlichen Bundesländern verstärkt vermitteln, sagte Paulick. „Unter dem Motto ‚Go West‘ wird das Ziel sein, möglichst viele Jugendliche in echten Betrieben unterzubringen“, so der Sprecher des AMS Wien.

Ausbildungsplätze in überbetrieblichen Lehrwerkstätten werden beispielsweise vom Berufsförderungsinstitut (BFI) oder dem Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) angeboten. Zu den Kürzungen bei der Ausbildungsbeihilfe für über 18-Jährige sagte Franz-Josef Lackinger, der Geschäftsführer des BFI, dass man verstärkt daran arbeiten müsse, Jugendliche schon vor dem 18. Lebensjahr in die überbetriebliche Ausbildung zu bringen, sofern sie keinen Platz in einem Betrieb finden. „Dann erübrigt sich die Debatte, ob eine finanzielle Entschädigung ab 18 womöglich der Entscheidung für eine Lehre im Betrieb entgegensteht“, so Lackinger in einer Aussendung.

Vorteil der Ausbildung

Zukünftig wolle das BFI die Zusammenarbeit mit österreichischen Unternehmen verbessern. Die Lehrlinge sollen möglichst schon vor Abschluss von der überbetrieblichen in eine betriebliche Werkstatt wechseln. Eine Strategie, die auch das AMS unterstützt. Eine solche Entwicklung sei zwar prinzipiell wünschenswert, sagte Arbeitsmarktökonom Walther. Um dem Fachkräftemangel in Österreich zu begegnen, seien aber auch Investitionen in die überbetriebliche Ausbildung überlegenswert.

Denn viele traditionelle Lehrberufe haben sich in den vergangenen Jahren in technischer Hinsicht stark verändert. „Wer in einem kleinen Betrieb lernt, mit veralteter Technologie zu arbeiten, wird spätestens mit der Pensionierung des Chefs und einer Betriebsstilllegung zum Problemfall auf dem Arbeitsmarkt“, so Walther. Solchen Risiken könne man mit einer besseren Ausbildung begegnen.

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