Frauenberger folgt Wehsely
Der Umbau des Wiener SPÖ-Teams ist beschlossene Sache. Der erweiterte Vorstand hat das schon im Vorfeld durchgesickerte Personalpaket beschlossen, verkündete Parteichef Michael Häupl Freitagnachmittag.
Das heißt: Sandra Frauenberger übernimmt von der zurückgetretenen Stadträtin Sonja Wehsely die Bereiche Gesundheit, Soziales und Frauen. Frauenbergers aktuelle Agenden Bildung, Integration und Jugend gehen dafür an Jürgen Czernohorszky. Außerdem werden die Magistratsabteilungen 10 (Kindergarten-Förderungen) und 11 (Kindergarten-Kontrollen) im Bildungsressort gebündelt. Czernohorszky folgt der Simmeringer Lehrergewerkschafter Heinrich Himmer im Amt des Wiener Stadtschulratspräsidenten.
Weitere Rochaden nicht ausgeschlossen
Häupl versicherte, dass sein Vorschlag einstimmig bei einer Enthaltung angenommen wurde. Das Gremium hatte vorher mehr als drei Stunden debattiert. Bereits am Vormittag hatten die Entscheidungen die Runde gemacht, die nun von Häupl bestätigt wurden.
Weitere Umbildungen im Vorfeld des Parteitags Ende April seien „nicht mein vorrangiges Ziel“, sagte Häupl, „aber ich kann das nicht ausschließen, ohne damit weitere Personaldiskussion zu provozieren“. Er kündigte zudem die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Verbesserung des parteiinternen Miteinanders an.
Arbeitsgruppe soll für Harmonie sorgen
In der Arbeitsgruppe, die aus sieben Personen bestehen werde, werde es nicht um inhaltliche Themen gehen, sondern sie solle dazu beitragen, das Vertrauen und den Dialog innerhalb der Partei wiederherzustellen. „Unsere Gruß heißt ja Freundschaft“, sagte Häupl.
Wer die TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe sein werden, werde beim zweiten Teil der Vorstandstagung am Samstag festgelegt. „Dort (in der Arbeitsgruppe, Anm.) wird über alles gesprochen, völlig tabulos“, sagte Häupl. Sollte es weitere Personaldiskussionen geben, werde man diese innerhalb der Arbeitsgruppe führen.
„Schauspiel der SPÖ nicht würdig“
Die inhaltliche Diskussion müsse wieder vor der personellen stehen: „Das Schauspiel, das wir Sozialdemokraten in den letzten Wochen geboten haben, ist an sich einer Organisation wie der SPÖ nicht würdig“, sagte Häupl, der sich im Hinblick auf die inzwischen monatelangen Flügelkämpfe offen unzufrieden mit der Performance der Wiener Genossen zeigte.
Ob sich die kritischen Vertreter der Flächenbezirke mit der eher kleinen Personalrochade zufriedengeben werden, konnte Häupl nicht sicher beantworten. „Es ist heute in der Diskussion deutlich geworden, dass es da nicht um Menschenopfer geht“, sagte er jedoch. „Ich weiß natürlich nicht, ob sich nicht irgendwer wieder melden wird“, räumte er ein. Er werde an dieser Diskussion in den Medien jedenfalls nicht mehr teilnehmen. Er selbst sei in der Vorstandstagung nicht zur Diskussion gestanden, sagte Häupl.
Lob für Frauenberger und Czernohorszky
Zu den personellen Veränderungen sagte er, dass Frauenberger als Gewerkschafterin bekannt und daher mit sozialen Fragen „außerordentlich vertraut“ sei. Ihre Aufgabe werde es sein, die „Gesprächsfähigkeit mit und das Vertrauen der MitarbeiterInnen in den Spitälern wiederherzustellen“. Dass er von anderen im Vorfeld in den Medien genannten Personen für den Posten der Gesundheitsstadträtin - etwa von der Chefin der Wiener Gebietskrankenkasse Ingrid Reischl - Absagen erhalten habe, verneinte Häupl.
Auch Czernohorszky streute Häupl Rosen. Czernohorszky habe „sein gesamtes politisches Leben in der Bildungspolitik verbracht“, sei also prädestiniert für das neue Amt. Sowohl fachlich als auch persönlich zeichne sich das „Kommunikationstalent“ dafür aus.
Kritik von den Frauen der Partei, dass es nun mit Czernohorszky einen zusätzlichen Mann und mit dem Abgang Wehselys eine Frau weniger in der roten Regierungsriege gibt, erwartet Häupl nicht. In Bezug auf die Frauenquote befinde sich die Stadtregierung in „der komfortablen Situation“, auch nach der Umbildung noch einen Frauenanteil von 50 Prozent zu haben, sagte Häupl.
Himmer „lässt auf Unerschrockenheit schließen“
Zur Besetzung Himmers sagte Häupl: „Ich kann mir gut vorstellen, dass er als Lehrergewerkschafter ein gutes Standing haben wird.“ Künftig werde es zu großen Veränderungen im Schulwesen und in der Schulverwaltung kommen. Dabei sei ein erfahrener Pädagoge sehr wichtig. Den Vorschlag, Himmer Czernohorszky nachfolgen zu lassen, müsse er, Häupl, noch mit dem grünen Regierungspartner besprechen.
In Bezug auf Himmers Kritik an Häupl für dessen Sager über die Lehrerarbeitszeit („Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig“) sagte der Bürgermeister: „Das lässt zumindest auf seine Unerschrockenheit schließen.“ Himmer hatte Häupl vorgeworfen, immer wieder „mediale Rülpser“ loszulassen, viele Lehrer würden deshalb den Parteiaustritt überlegen.
Vorbereitung auf Landesparteitag
Auf der Vorstandssitzung habe man sich außerdem auf die Vorbereitung einer Arbeitsgruppe geeinigt, die den Landesparteitag vorbereite. „Unser Gruß heißt ja Freundschaft, das soll sich auch in der Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter widerspiegeln", sagte Häupl.
Die Sitzung im C3 Convention Center dauert insgesamt zwei Tage. Am Samstag soll es hauptsächlich um inhaltliche Themen - Wohnen, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Integration - gehen. Teilnahmeberechtigt sind bei dem Treffen die 59 Mitglieder des erweiterten Wiener Vorstands. Offiziell besiegelt werden die Rochaden am Montag vom größten Gremium der Landespartei, dem Wiener Ausschuss. Erst im Anschluss daran sollen die neuen Verantwortlichen ihre Pläne öffentlich präsentieren.
Kritik aus eigenen Reihen
Enttäuscht zeigte sich der frühere Wiener Landesparteisekretär und SPÖ-Gemeinderat Christian Deutsch: „Das ist nicht einmal ein Reförmchen.“ Deutsch hatte zuletzt bereits wiederholt größere Umwälzungen - sowie den Rückzug Häupls - urgiert. Der Vorsitzende der SPÖ Simmering, Harald Troch, der in den vergangenen Monaten zu den schärfsten innerparteilichen Kritikern zählte, hatte vor der Sitzung gesagt: „Es wäre erfreulich, wenn es weitere Umbildungen in den nächsten Monaten gibt.“
Grüne: „Einiges an Arbeit liegen geblieben“
Die Wiener Grünen hoffen, dass der Koalitionspartner „nun wieder auf Touren kommt“. Deren Klubchef David Ellensohn verhehlte nicht: „Ja, man muss schon zugeben, dass in den vergangenen Wochen aufgrund der Personaldiskussionen einiges an Arbeit liegen geblieben ist. Deshalb wünsche ich der SPÖ, dass mit der heutigen Entscheidung die Arbeitsfähigkeit wieder voll hergestellt ist.“
FPÖ: „Verreckter Knallfrosch“
Von einem „verreckten Knallfrosch“ sprach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: „Diese Personalrochaden sind nicht der große Wurf, sie sind Ausdruck dafür, dass der SPÖ fähige Politiker, die auch Ahnung von ihrer Geschäftsgruppe haben, schlicht fehlen.“ In Wien werde sich nichts zum Besseren ändern: Er bezweifle, dass Frauenberger das „Wiener Gesundheitssystem, das kurz vor dem Kollaps steht, auf Schiene bringen wird können“.
Auch ÖVP und NEOS enttäuscht
Die ÖVP ortete eine „verspielte Chance“. Landesparteichef Gernot Blümel mutmaßte, dass niemand mehr ins Team von Häupl eintreten wolle: „Diese peinliche Mini-Umbildung ist dafür das Symbol.“ Die ÖVP hat laut eigenen Angaben gehofft, dass sich Häupl ein Beispiel am niederösterreichischen Noch-Landeshauptmann Erwin Pröll - der seinen Rückzug angekündigt hatte - nimmt. Auch Blümel kritisierte Frauenberger.
Auch NEOS vermisste den nötigen Mut bei der verkündeten Rochade: „Ein klares Bekenntnis zu einem Neustart für Wien sieht anders aus“, sagte Rathaus-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Auch sie nahm Frauenberger ins Visier: „Die neue Gesundheitsstadträtin hat keinerlei Erfahrung im Gesundheitsbereich.“
Ärztekammer hofft
Vorschusslorbeeren gab es hingegen von der Wiener Ärztekammer - die auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen Gesundheitsstadträtin hofft. Man habe der designierten Ressortchefin bereits ein Grundsatzprogramm mit neun Standpunkten übermittelt, hieß es in einer Aussendung von Kammerpräsident Thomas Szekeres.