Heikle Änderung
Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat dem Ministerinnenrat am Dienstagvormittag eine Novelle zum ASVG-Gesetz vorgelegt. Diese soll den Bank-Austria-Pensionsdeal stark beeinflussen. Die UniCredit-Tochter soll nun bei der Überführung von 3.300 Mitarbeiterinnen vom bankeigenen ins staatliche Pensionssystem nicht wie geplant sieben Prozent des Letztgehalts als „Mitgift“ zahlen, sondern die üblichen 22,8 Prozent.
„Die Novelle stellt sicher, dass alle Arbeitgeber im Pensionsversicherungsrecht gleich behandelt werden.“ Stöger zufolge ergibt sich durch die Novelle - zum Paragrafen 311 im ASVG-Gesetz gesellt sich neu der Paragraf 311a - kein Verlust für die Steuerzahlerinnen. Die 22,8 Prozent des Letztgehaltes, die die Bank überweisen soll, werden über alle Beitragsmonate gerechnet.
Heuer beliefe sich die Summe insgesamt auf errechnete 728,7 Mio. Euro, 2017 kämen noch einmal 40 Mio. Euro dazu. Eine Ausnahme für die Bank Austria aus dem Jahr 1957 wird durch einen Zusatzparagrafen beendet.
Stöger geht von Verfassungsmäßigkeit aus
Wie es die Bank Austria ursprünglich geplant hatte, wäre eine Überführung der 3.300 noch Beschäftigten ins ASVG-System nicht möglich gewesen, so Stöger. „Daher hat es eine Rechtsgrundlage für diese Änderung gebraucht.“ Darauf angesprochen, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gebe, sagte der Sozial- und Arbeitsminister, er gehe „davon aus, dass die Gesetze, die wir im Parlament beschließen, verfassungskonform sind. Gleichbehandlung führt dazu, dass es verfassungskonform ist.“ Zunächst musste die Novelle aber einmal den Ministerinnenrat passieren. Die Entscheidungen der Organe der Bank Austria - die politisch zur Gesetzesnovelle führten - wollte Stöger nicht kommentieren.
Regierungsspitze für Klärung
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach wie zuvor auch sein Parteikollege Stöger davon, dass die Bank Austria nun denselben Beitragssatz wie alle anderen auch zahlen müsse. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach sich für eine rasche Klärung der Causa aus. Das Gesetz soll laut einem Stöger-Sprecher in den nächsten Wochen durch den Nationalrat. Dann will man das Gesetz von der EU-Kommission im Sinne der Rechtssicherheit notifizieren lassen.
Übergang in ASVG-System
Die Überführung von einer hauseigenen in die allgemeine Sozialversicherung ist im ASVG-Gesetz geregelt und wurde in Einzelfällen öfter durchgeführt. Vorteile bringt das dem Arbeitgeber: Er muss sieben Prozent des Letztgehalts beisteuern, Arbeitnehmerinnen im ASVG müssen aber 22,8 Prozent des aktuellen Bezugs einzahlen.
Die Bank Austria wollte die Vorgänge vorerst nicht kommentieren. „Sobald das Gesetz tatsächlich beschlossen wurde, werden wir es prüfen und über unsere Handlungsoptionen entscheiden“, hieß es gegenüber der APA.
„Klare rechtliche Lösung geschaffen“
Der bisher allein existente Paragraf 311 bezieht sich nur auf bereits aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedene Mitarbeiterinnen. Nun habe man „eine klare rechtliche Lösung geschaffen“, sagte Stöger. Der Paragraf 311a bezieht sich auch auf noch beschäftigte Dienstnehmerinnen. Das Gesetz werde man auch von der EU-Kommission notifizieren lassen. Es gehe um Gerechtigkeit und darum, dass nicht einzelne Unternehmen bevorteilt würden, so Stöger.
ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling sagte vor der Sitzung, er habe auf die Gesetzesnovelle bezogen „noch einmal klargemacht“, dass es zu keinen Belastungen des Bundeshaushalts kommen dürfe mit diesem Gesetz. Das wisse der für dieses Gesetz verantwortliche Bundesminister Stöger auch.
Skeptische Juristen
Noch am Montag waren Verhandlungen zum neuen Gesetz gelaufen. Zuvor hatten sich Juristen zu dem Anlassgesetz („Lex Bank Austria“) vorweg kritisch zu Wort gemeldet. Zwei Probleme führte im Ö1-Morgenjournal der Verfassungsjurist Theo Öhlinger an, „zum einen im Hinblick auf die offensichtliche rückwirkende Dimension dieses Vorschlags und zum anderen, weil möglicherweise eine unsachliche Differenzierung gegenüber anderen Rechtsträgern besteht, und all das wäre im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes fragwürdig“, sagte Öhlinger.
Ein rückwirkendes Sondergesetz, das nur für die Bank gelte, sieht auch der Arbeitsrechtler Franz Marhold (Wirtschaftsuniversität) heikel. Einer möglichen Anfechtung des Gesetzes durch die Bank geben die Juristen gute Chancen.
Freiheitliche sehen „Murks“
Die Freiheitlichen kritisierten die Novelle als „Gesetzesmurks“. Es handle sich um „eine ‚Auftragsarbeit‘ für den Verfassungsgerichtshof“, so FPÖ-Abgeordnete Dagmar Berlakowitsch-Jenewein. Die Sache werde spätestens im Herbst das Höchstgericht beschäftigen.
Die FPÖ-Politikerin verwies darauf, dass das Gesetz rückwirkend in Kraft tritt (1. März bzw. 1. Februar, Anm.) und eine 18-Monate-Zahlfrist für die Pensionsversicherungsbeiträge enthält. Das habe zum Zweck, „dass die AVZ und die Stadt Wien als Haftungsträger weiterhin ihr Ziel, mit lediglich sieben Prozent Überweisungsbeitrag die Sparkassenbeamten der Bank Austria ins ASVG zu hieven, erreichen“.
"Nagelprobe für ÖVP
Die AVZ steht der Gemeinde Wien nahe und ist eine Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten von Namensaktien der Bank Austria. Der FPÖ-Bundesratspolitiker Hans-Jörg Jenewein sah indes heute in der Causa auch eine „Nagelprobe für die ÖVP“ kommen. Im Bundesrat tagt noch der Sozialausschuss, wo die Änderung des Paragrafen 311 ASVG aus 1956 auf der Tagesordnung steht. Dort werde sich zeigen, „ob die ÖVP beim Spiel der SPÖ, der Gewerkschaft und der Gemeinde Wien mitspielt“.
Grüne mit Stoßrichtung zufrieden, NEOS nicht
Die Grünen zeigten sich in Person ihrer Sozialsprecherin Judith Schwentner hingegen „durchaus zufrieden mit der Stoßrichtung der Gesetzesvorlage“. Für ihre Fraktion sei es „wichtig, dass alle Beiträge so entrichtet werden, als ob diese Menschen immer schon im ASVG versichert gewesen wären“.
NEOS kritisierte, dass die Gebietskrankenkasse (GKK) die dort per 1. März angemeldeten 3.300 Bank-Austria-Leute nur mit Vorbehalt angenommen habe. Wenn es laut Stöger keine Rechtsgrundlage gebe, dann müsse die GKK handeln. „Die UniCredit kann in weiterer Folge gegen den Bescheid der GKK den Rechtsweg beschreiten“, so NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker, der das nachträgliche Gesetz prinzipiell „für unvereinbar mit dem Rechtsstaat“ hält.