Vier Wochen vor der Bundespräsidentenwahl wagen die Meinungsforscher immer noch keine Prognose, wer in die Stichwahl oder gar in die Hofburg einziehen wird. Dem Grünen Alexander Van der Bellen geben sie zwar „beste Chancen“, aber fix sei sein Erfolg nicht. Mehr denn je komme es auf den jetzt anlaufenden Intensivwahlkampf und die TV-Duelle an.
Knappes Rennen erwartet
OGM-Chef Wolfgang Bachmayer geht davon aus, dass - in der Reihenfolge des Stimmzettels - Irmgard Griss, Norbert Hofer (FPÖ), Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP) und Alexander Van der Bellen (Grüne) recht eng beieinander liegen werden: „Der Letzte wird vielleicht zwei bis drei Prozentpunkte hinten liegen und die ersten vier wie bei einem Staffellauf durchs Ziel gehen.“
„Beste Chancen“ auf die Stichwahl habe Van der Bellen - Khol die geringsten, aber „warten wir ab“, sagt er mit Verweis auf die Terroranschläge in Brüssel. Sie würden die Stimmungslage verstärken, das könnte für Van der Bellen mit seiner positiv-offenen Haltung zu Flüchtlingen auch einen „gewissen Trend nach unten“ bedeuten.
Ausnahmsweise „echter Themenwahlkampf“
In den Umfragerohdaten liegen die genannten fünf in einem Band von drei bis vier Prozentpunkten, „da kann man in Wirklichkeit nichts sagen“, sieht Peter Hajek (public opinion strategies) die Sache „too close to call“. Interessant sei, dass es bisher wenig Bewegung gegeben habe - aber nur 50 Prozent der Befragten sicher wüssten, wen sie wählen.
Der Intensivwahlkampf samt TV-Duellen sei heuer also besonders wichtig. Zumal es diesmal, anders als früher, ein „echter Themenwahlkampf“ - über Flüchtlinge, TTIP, Angelobung einer FPÖ-Regierung etc. - sei.
Jetzt kommen die „entscheidenden Wochen“, umschreibt es Politikberater Thomas Hofer. Auch er sieht Van der Bellen nicht ganz fix in der Stichwahl, aber es wäre doch „eine Überraschung, wenn er es nicht schafft“. Zumal der Grün-Kandidat wie kaum ein anderer „parteiübergreifend strahlt“, gute Sympathiewerte habe und ins „Jobprofil“ passe und sein Wahlkampf - der mit dem „Heimat“-Thema über die Stammwähler hinaus greift - sehr professionell sei.
Gute Chancen auch für Griss und Hofer
„Keine schlechten Chancen“ sieht Hofer für Griss: Sie unterstreiche gut ihr großes Asset der Unabhängigkeit, mit der Positionierung „sogar als Anti-Politikerin“ könne sie sich auch Stimmen aus dem blauen Reservoir holen: „Gegen Parteipolitik im alten Stil aufzutreten ist eines der stärksten Argumente, das man zur Zeit bringen kann“, ist für Hofer die Juristin immer noch gut im Rennen.
Angesichts des FPÖ-Potenzials - mehr als 30 Prozent in den Umfragen - „sehr, sehr groß“ wären eigentlich die Chancen des blauen Kandidaten Hofer. Aber er stehe vor zwei Herausforderungen: Erstens die FPÖ-Wähler zu mobilisieren, was genauso schwierig sei wie bei EU-Wahlen, und zweitens zu „emotionalisieren“ - also die aktuelle Stimmungslage (geprägt vom Flüchtlingsthema) auszunützen. Das aber passe nicht zu seinem eher ausgleichenden Naturell, sieht der Politikberater Hofer vor einem „Spagat“.
„Startnachteil“ Regierungszugehörigkeit
Noch viel schwieriger stelle sich die Lage aber für Hundstorfer und Khol dar. Sie hätten den „Mühlstein“ der Regierungszugehörigkeit um den Hals. Denn anders als früher garantiere diese nicht mehr die Favoritenrolle, sondern sei ein klarer „Startnachteil“. Es bestehe „Gefahr, dass zumindest einer, wenn nicht beide nicht in die Stichwahl kommen“. Dem sechsten Kandidaten, Richard Lugner, messen alle drei Experten keine große Rolle bei.