Gemeinsame Position überhaupt möglich?
Nach der SPÖ-Mitgliederbefragung zu den Handelsabkommen CETA und TTIP sind die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP in dieser wirtschaftspolitischen Frage weiter uneins. Die Regierung will eine gemeinsame Position zu CETA herstellen, doch die derzeitigen Wortmeldungen zeigen: Die Fronten sind verhärtet.
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder nannte die Befragung am Dienstag beim Ministerrat ein gutes Ergebnis. „Europa wäre nun gut beraten, den Vertrag so nicht abzuschließen, sondern fundamental zu verändern“, sagte Schieder. Knapp 90 Prozent der teilnehmenden Parteimitglieder und Nichtmitglieder sprachen sich gegen die vorläufige Anwendung des umstrittenen EU-Kanada-Handelsabkommens CETA aus. 7,5 Prozent der SPÖ-Mitglieder nahmen an der Befragung teil.
Für Schieder ging es darum, eine „Diskussion zu erzeugen“. Das Ergebnis und politische Signal: „Die Leute stehen CETA kritisch gegenüber.“ Vor allem die Themen Schiedsgerichte, Daseinsvorsorge und Umwelt- und Sozialstandards sorgten für Kritik, so der SPÖ-Klubchef.
Mitterlehner: Da geht es um Arbeitsplätze
Vizekanzler Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) plädierte indes dafür, das „CETA-Problem vom Eis zu bringen“. Es handle sich um ein Abkommen, das „international außer Streit“ stehe. „Da geht es auch um Arbeitsplätze.“ Positiv und einen „deutlichen Fortschritt“ nannte Mitterlehner das Vorgehen der deutschen SPD, die in einem Konvent grundsätzlich grünes Licht für das Vertragswerk gab und auf eine gemeinsame Erklärung zum Abkommen setzt, die derzeit zwischen Kanada und der EU verhandelt wird. „Ich sehe diese Möglichkeit auch für Österreich“, so Mitterlehner.
Mitterlehner sieht SPÖ in Dilemma
In dieser gemeinsamen Erklärung, einer Art Beipacktext zum CETA-Vertrag, soll klargestellt werden, dass öffentliche Dienstleistungen auch in Zukunft gewährleistet sind und durch das Abkommen kein Zwang zu Privatisierungen vorgesehen ist, dass Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards gesichert sind und dass das Schiedsgerichtssystem unabhängige Entscheidungen gewährleistet.
SPÖ-Mitglieder stimmen gegen CETA
Die Befragung der SPÖ-Parteimitglieder, bei der sich 88 Prozent gegen die Unterzeichnung von CETA ausgesprochen haben, sorgt für Unruhe in der Koalition.
Bis zur Abstimmung auf EU-Ebene im Oktober brauche es jedenfalls eine gemeinsame Lösung und Abstimmung der Regierungsposition, sagte der Wirtschaftsminister. Wie die SPÖ ihr Mitgliederbefragungsdilemma auflöst, müsse man die SPÖ fragen. Einige Fragen seien „Suggestivfragen“ gewesen. Dabei werde man „nicht klüger, sondern holt sich nur Emotionen ab“, sagte Mitterlehner.
Mahrer: Alpenverein hätte Umfrage machen können
Laut SPÖ-Koalitionskoordinator Thomas Drozda wird sich die Regierungslinie „in den nächsten Wochen klären müssen“. Das Vorgehen der SPÖ bei CETA sei „nicht l’art pour l’art“, sondern es gehe um eine Bewertung der Inhalte in wesentlichen Fragen wie Umwelt- und Sozialstandards sowie Daseinsvorsorge. Die Stimmung in der Regierung sei wegen der Mitgliederbefragung nicht beunruhigend, sagte Drozda. „Jeder kann Umfragen machen, auch die SPÖ. Es hätte auch der Alpenverein eine Umfrage zu CETA machen können“, meinte ÖVP-Regierungskoordinator Harald Mahrer.
Doskozil gegen „parteipolitische Erwägungen“
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hält die Befragung der SPÖ-Mitglieder angesichts der kurzen Frist und des Themas für „durchaus repräsentativ“. Außerdem hätten nicht nur Parteimitglieder daran teilgenommen. In der Bevölkerung herrsche gegenüber CETA eine sehr kritische Stimmung, insofern sollte man „parteipolitische Erwägungen“ hintanstellen, so Doskozil vor dem Ministerrat gegenüber Journalisten.
Bundeskanzler SPÖ-Chef Christian Kern habe bei CETA „klar“ gesagt, wo die Richtung hingehe, sagte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und verwies auf die Gespräche mit Kanada. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen habe es keine Transparenz gegeben, und das sorge die Bevölkerung. Diese Sorgen gelte es ernst zu nehmen, forderte Stöger. Auch Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) verwies auf Kern. Laut ihr gibt es noch „Verhandlungsspielraum im Sinne von Ergänzungen“.
Schelling: No-na-Fragen
Kritisch äußerte sich Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zur SPÖ-Befragung, habe es sich doch um „No-na-Fragen“ gehandelt. Insofern überrasche das Ergebnis nicht. Die Vorgangsweise der SPD in Deutschland hingegen sei ein „gutes Beispiel, wie man Politik macht“, meinte Schelling ebenso wie Mitterlehner. Der Finanzminister geht davon aus, dass der Bundeskanzler nach seiner Rückkehr aus New York gemeinsam mit dem Vizekanzler die Linie der Bundesregierung klarstellt.
CETA sei ausgehandelt, aus Sicht des Finanzministers gehe es nun noch um eine Präambel mit Details. Das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung hielten Schelling und auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) nicht für maßgeblich für die Regierungslinie.
FPÖ skeptisch gegenüber Kern
Die FPÖ fordert erneut eine CETA-Volksabstimmung. „Man muss wissen, dass CETA das Einfallstor für TTIP ist“, sagte Parteichef Heinz-Christian Strache, er befürchte, dass damit Fakten für das ungeliebte Freihandelsabkommen mit den USA geschaffen würden. Auf die ablehnende Haltung Kerns will sich Strache nicht verlassen und verwies auf dessen medial kolportierte Kehrtwendung in Sachen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: „Da wird man von vorne bis hinten papierlt“, so Strache. Kern müsse sich an das Ergebnis halten und sich gegen eine Umsetzung des Abkommens einsetzen, fordert FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch. Er sieht unter anderem die Landwirtschaft in Gefahr.
Kogler drängt Kern
Laut Grünen-Vizechef Werner Kogler muss die Regierung „jetzt alle Register ziehen“, um CETA zu stoppen. Kern könne CETA stoppen, indem er auf europäischer Ebene klarmache, das Abkommen nicht unterzeichnen und ratifizieren zu wollen, so Kogler am Dienstag. Diese Absicht solle Österreich auf dem Ende dieser Woche stattfindenden Rat der EU-Handelsminister mitteilen und eine Allianz mit anderen CETA-kritischen EU-Staaten wie Belgien, Slowenien, Bulgarien und Rumänien bilden.
Das Ergebnis der SPÖ-Befragung ist für Kogler eine weiterer Beleg dafür, wie groß die Skepsis und Ablehnung gegen CETA in Österreich sind. Die Risiken das Abkommens seien viel höher als der behauptete ökonomische Nutzen. Der größte Giftzahn, die privaten Klagerechte, könne durch Zusatzerklärungen nicht gezogen werden.
NEOS sieht Populismus
NEOS-Chef Matthias Strolz kritisierte die Haltung Kerns. Es betrübe ihn, dass Kern in die Sackgasse des Populismus schreite, sagte er am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag. „Kanzler Kern will jetzt auch Schlagzeilenpolitik machen, das Ende hat er jedoch nicht bedacht“, meinte Strolz, der für den Abschluss des Abkommens plädierte. „Wir sind zutiefst überzeugt, dass Frieden, Wohlstand und Lebensqualität etwas mit Freihandel zu tun haben“, sagte er.